Volkstrachten aus dem Schwarzwald
Mit einem Vorwort von Dr. Hansjakob
Herausgegeben von Johannes Elchlepp
Freiburg 1900
Mit einem Vorwort von Dr. Hansjakob
Herausgegeben von Johannes Elchlepp
Freiburg 1900
Je mehr unsere Zeit, die alles gleich macht und amerikanisiert, die Volkstrachten mit dem völligen Untergang bedroht, um so mehr freut sich der Freund des schönen und guten Alten, wenn er irgendwo noch die Volkstrachten findet.
Dies ist aber noch der Fall auf dem Schwarzwald und in den an ihn grenzenden Gebieten des Markgräfler- und des Hanauerlandes. Ja, es ist dank den Bemühungen der badischen Trachtenvereine in diesen Gegenden ein erneutes Festhalten an den Volkstrachten zu bemerken. Und auch die vorliegenden Abbildungen sollen dazu beitragen, daß die in ihnen wiedergegebenen Trachten bei Einheimischen und bei Fremden die gebührende Beachtung finden und aufs neue in Ehren gehalten werden.
Die Fremden, welche zur Sommerszeit unsreen Schwarzwald besuchen, können viel dazu beitragen, daß die Schwarzwälder ihren schönen Trachten treu bleiben. Sie mögen dem Landvolk nur immer und immer wieder sagen, wie schön und kleidsam seine alte Tracht sei und wie sie die Schwarzwälder und Schwarwälderinnen viel lieber in ihren Volkstrachten als in den elenden Modekleidern sähen.
Aber noch etwas, das mit den Volkstrachten enge zusammenhängt, sollten die Fremden auf dem Schwarzwald ehren, und das ist der Dialekt, die Mundart des Schwarzwaldvolkes.
Seine alenmannische Mundart ist ebenso achtbar und ehrwürdig als seine Tracht, und beide gehen Hand in Hand. Mit der Mundart wechseln die Trachten und umgekehrt; darum zeigt sich der schwäbische und der bayerische Bauer anders, weil er auch eine andere Mundart des gleichen Sprachidioms redet.
Was ist eigentlich die Volkstracht? Sie ist gleichsam der Dialekt der Mode im Landvolk, die Art, wie es durch seine Kleidung spricht gegenüber den rasch wechselnden Moden der Städter. Ursprünglich Modetracht, ist die Volkstracht die Kleidung des Landvolks geworden, das bei ihr stehengeblieben und nicht mehr mit der Mode gegangen ist.
Ehemals hatte man Nationaltrachten, die spanische, die deutsche, die welsche, die ungarische, die polnische u. s. w.
Als das deutsche Reich im 17. Jahrhundert mehr und mehr in zahllose Kleinstaaten, Reichsritterschaften, Reichsstädte, Reichsdörfer zerfiel, gab es auch bald in jedem dieser Gebiete eine eigene Tracht.
Die Bauern nahmen sie, wie heute, wenn sie die alte Tracht verachten, von den Städtern; aber während diese öfter wechselten, um schließlich ganz mit der heute allmächtigen Pariser Mode zu gehen, blieben die Landleute mehr bei der alten Tracht, und so entstand die Volkstracht, die um so auffälliger wurde, je mehr sie sich mit der Zeit von der rasch wechselnden Mode der Städter entfernte.
Vor fünfzig Jahren, um ein Beispiel zu geben, trugen die älteren Bürgersfrauen in meiner Vaterstadt Haslach noch die goldene Haube, wie das unten folgende Bild sie zeigt und wie Hasemann sie verewigt hat. Die Bäuerinnen ringsum ahmten sie nach, und heute tragen sie dieselbe noch allein.
Doch auch die Volkstrachten stunden nicht gänzlich still; sie sahen bald da, bald dort bei der Modetracht etwas, das ihnen gefiel, und das wurde dann der Volkstracht angepaßt.
Die Veränderungen geschahen alle zum Schönern und mit vielem natürlichem Geschmack. Wer z. B. die heutige Tracht der Gutacher und der Elzthäler Frauen und Mädchen mit der frühern vergleicht, wird das durchweg finden.
Die Volkstrachten sind zweifellos viel kleidsamer als die Modetrachten; sie sind nicht so übertrieben und nicht so unnatürlich wie diese. Die Frauenwelt auf dem Land, wo die Volkstracht noch existiert, trägt keine falschen Haare, keine gesundheitswidrige Schnürleiber und keine Vogelbälge.
Daß das Landvolk bei der alten Volkstracht stehen blieb und dem raschen Wechsel der Moden nicht folgte, hat seine guten Gründe. Einmal hatte der Bauer nicht das Geld, sich oft neue Kleider zu kaufen, und wenn er es hatte, war er zu sparsam. Die guten alten Volkstrachten waren nicht billig, hielten aber fürs Leben, oft für zwei Generationen aus.
Ferner hatte sich das Landvolk die Kleidung seiner Bequemlichkeit und seiner Arbeit angepaßt und wechselte deshalb nicht gern. Auch ist der Bauer in alleweg konservativ und so auch in seiner Tracht.
Was den Volkstrachten auch auf dem Schwarzwald mit dem Untergang droht, ist einmal der leichtere Verkehr mit den Städten, wo das Landvolk die neue Mode sieht und um ein Spottgeld moderne Hudeln bekommen kann; ferner die Freizügigkeit, die alles vom Land in die Stadt lockt und die wenigen, welche wieder heimkehren, der Modekleidung für immer preisgiebt; endlich der allgemeine Zug der Zeit, der allem Alten und Hergebrachten feind ist und überall Zustände schaffen will, wie in der neuen Welt, in Amerika.
Unsere Volkstrachten sind deutsch und verdienen schon deshalb den Vorzug vor der welschen Mode-Tracht.
Wenn die Volkstracht von unserm Schwarzwald verdrängt sein wird, wenn alle Bauern und Bäuerinnen, Burschen und Mädchen sich kleiden werden wie Taglöhner und Fabrikarbeiter und deren Familien in Städten, dann wird auch der Volksgesang schwinden, die Mundart wird verachtet werden, und unser Schwarzwald wird - abgesehen von sozialen und sittlichen Schäden - ein groß Stück seiner Poesie verlieren.
Drum sollten alle, die den Schwarzwald lieben und von ihm Genuß oder Nutzen haben: die Fremden, die Gastwirte, die Künstler, die Naturfreunde, die Touristen, das ihrige beitragen, dem Schwarzwaldvolke seine Tracht lieb und wert zu machen. Sie sollten ihm in Wort und That zusprechen, treu zu sein seinen schönen, kleidsamen Volkstrachten.
In diesem Sinne und um dies zu sagen, hab ich mich bestimmen lassen, zu den folgenden Bildern ein Vorwort zu schreiben.
Hansjakob