Hanau-Lichtenberg von J. Friedrich Battenberg


1. Quellen:
F. Battenberg (Bearb.), Lichtenberger Urkunden. Regesten zu den Urkundenbeständen und Kopiaren des Archivs der Grafen von Hanau-Lichtenberg, 4 Bde (Darmstadt 1993) [im folgenden zitiert als LU].

2. Beschreibungen:
Historischer Verein für Mittelbaden (Hrsg.), Die Stadt- und Landgemeinden des Kreises Kehl. Ein historisch-topographisches Ortslexikon (Offenburg 1964);
F. Knöpp, Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Ergänzung zu W. Wagner, Das Rhein-Main-Gebiet 1787 (Darmstadt 1975).

3. Darstellungen:
J. Beinert, Die abgegangenen Dörfer und Höfe im Amtsbezirk Kehl, in: Die Ortenau 5 (1914) S. 89 - 100; Ders., Geschichte des badischen Hanauerlandes unter Berücksichtigung Kehls (Kehl 1909); Ders., Geschichte des ehemaligen hanau-lichtenbergischen Schlosses zu Willstätt, in: Die Ortenau 1 / 2 (1910 / 11) S. 29 - 47;
L. Clemm, Die Lichtenbergische Teilung von 1335, in: Elsaß-Lothring. Jb. 20 (1942) S. 57 - 78;
F. Eyer, Das Territorium der Herren von Lichtenberg 1202 - 1480. Untersuchungen über den Besitz, die Herrschaft und die Hausmachtpolitik eines oberrhein. Herrengeschlechts (Straßburg 1938, ND Neustadt an der Saale 1985);
W. Gräßlin, Vom Rhein zum Schwarzwald - der Kreis Kehl (Bühl 1960);
R. Hahn, Das Hanauerland im Spiegel des Willstätter Gefällbuches von 1704, in: Die Ortenau 37 (1957) S. 210 - 219, 38 (1958) S. 242 - 249;
M. Krebs, Konrad III. von Lichtenberg, Bischof von Straßburg (Diss. Frankfurt 1926); Ders., Politische und kirchliche Geschichte der Ortenau, in: Die Ortenau 40 (1960) S. 133 - 246;
L. Lauppe, Herrschaftliche Güter im ehemaligen Gericht Lichtenau, in: Die Ortenau 39 (1959) S. 96 - 118;
J. G. Lehmann, Urkundliche Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg im unteren Elsasse, 2 Bde (Mannheim 1862 - 1863);
W. Mechler, Das Territorium der Lichtenberger rechts des Rheines, in: A. Matt (Hrsg.), Pays d’Alsace. Cinquième Centenaire de la Création du Comté de Hanau-Lichtenberg 1480 - 1980 (Saverne 1980);
H. M. Pillin, Die rechtsrheinischen Herrschaftsgebiete des Hochstifts Straßburg im Spätmittelalter (Freiburg 1966);
K. Preisendanz, Vom Korker Waldbrief, in: Badische Heimat 18 (1931) S. 126 - 128;
K. Siebert, Die Grafen von Hanau-Lichtenberg und das Hanauerland, ebd. S. 3 - 49.

Der Aufstieg des hochadeligen Geschlechts der Herren von Lichtenberg (nordöstlich von Buchsweiler im Unterelsaß), die Begründung und der Ausbau eines Territoriums links und rechts des oberen Rheins(1) sind eng mit der Wirksamkeit der Familie für das Bistum Straßburg verbunden. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts sind mehrere Familienglieder Vögte des Bistums(2), und von 1279 bis 1365 gelang es drei Lichtenbergern, den Bischofsstuhl selbst zu besetzen(3). Besonders die reichspolitisch für das habsburgische Haus tätigen Konrad III. (1273 - 1299) und Friedrich I. (1299 - 1305) sicherten aus hochstift-straßburgischen Erwerbungen Lehnsbesitz für ihre Familie links und rechts des Rheins.

So ist ab 1288 die Stadt (oppidum) Willslätt als hochstiftisches Lehen Konrads I., eines Neffen des Bischof bezeugt(4), und eine 1274 vorgenommene Verwillkürung Ludwigs II. auf den Bischof hinsichtlich Bischofsheim am hohen Steg (= Rheinbischofsheim) läßt ebenfalls ein Lehnsband vermuten(5). Ein lehnsherrlicher Konsensbrief von 1295 zählt den rechtsrheinischen Lehnsbesitz Johanns I., den Kernbestand des späteren "Hanauerlandes", auf(6): Die Dörfer Bodersweier, Zierolshofen, Gundesweier (Ödung), Holzhausen, Hausgereut, Linx, Hohbühn, Leutesheim, Nieder- und Oberdiersheim, (Rhein-)Bischofsheim, Hohnhurst, Nieder- und Oberfreistett Nulende (Ödung), Querge (Ödung) und Rencherloch (heute Maienhof)(7). 1318 sind in gleicher Eigenschaft auch die Dörfer Willstätt, Hundsfeld (Ödung), Kork und Auenheim genannt(8).

Hochstiftische Vogtei und auch die 1260 von König Konradin erworbene Landgrafschaft im (Unter-)Elsaß(9) ermöglichten den Lichtenbergern sehr bald auf die Ergänzung des hochstiftischen Lehnsbesitzes durch Eigengüter. Als solche werden 1294 Eckartsweier bei Willstätt(10) genannt, gefolgt vier Jahre später von Burg und Stadt Lichtenau, für die 1300 von König Albrecht I. Stadtrechte nach dem Vorbild von Hagenau erworben wurden(11). Auf diese Weise konnte als Pendant zur Burg Lichtenberg im Elsaß ein Herrschaftsmittelpunkt für die rechtsrheinischen Besitzungen geschaffen werden. Als Eigenbesitz kamen in den Folgejahren im Süden des straßburgischen Lehnsbereiches die Dörfer Bolzhurst (heute Teil von Legelshurst), Hesselhurst, Legelshurst, Sand, Schweighausen (Ödung) und Sitzenhofen (Ödung) hinzu, im Norden Grauelsbaum, Guglingen (Ödung), Helmlingen, Hirsach (Ödung), Memprechtshofen, Muckenschopf und Scherzheim(12).

Die Besitzerweiterung auf der rechtsrheinischen Seite war nur durch die auf das ganze Territorium bezogene Herrschaftspolitik der Lichtenberger in enger Verbindung zum Königtum und zum Hochstift Straßburg möglich. Außer den beiden rechtsrheinischen Ämtern Lichtenau und Willstätt wurden linksrheinisch im Bereich zwischen Straßburg, Weißenburg, Lützelstein und Zabern flächenmäßig ausgedehnte Herrschaftsbereiche organisiert, die in den Ämtern Buchsweiler, Brumath, Hatten (Reichslehen), Ingweiler und Neuweiler, Kutzenhausen, Pfaffenhofen, Offendorf, Westhofen mit Balbronn, Wolfisheim und Wörth zusammengefaßt wurden. Die wichtigsten Herrschaftsrechte wurden bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts erworben.

Nach der schon in staufischer Zeit erhaltenen Vogtei über das Kloster Neuweiler (1237) stellten der Erwerb des Judenregals 1337 und des Geleitsrechts an Teilen der Handelsstraße von Straßburg durch das Unterelsaß nach Saarbrücken und Köln 1347 wichtige Stationen zur Konstituierung einer Landesherrschaft dar. Dem gleichen Ziel diente die lichtenbergische Städtepolitik, durch die nacheinander seit Rudolf von Habsburg außer Lichtenau auch Buchsweiler, Lichtenberg, Westhofen, Neuweiler, Brumath, Görsdorf und Wörth zu Städten nach Hagenauer Recht erhoben wurden(13).

Das schwerpunktmäßig im Bereich zwischen Kinzig und Rench, Rhein und Schwarzwald gelegene Herrschaftsgebiet hatte bereits im 14. Jahrhundert eine recht große räumliche Geschlossenheit erreicht. Einzelne fremde Nutzungsrechte, wie die Waldrechte des Straßburger Stifts St. Thomas im Bereich von Hausgereut, um die 1356 vor einem päpstlichen Kommissar gestritten wurde(14), konnten den Landesausbau ebensowenig aufhalten wie etwa die Selbstverwaltungsrechte der Fünfdörfer des Korker Waldes, die nach dem Korker Waldbrief von 1476(15) nach Windschläg und Appenweier hineinreichten(16). Zur Konsolidierung trug das 1436 von Kaiser Sigmund erlangte, 1442 von Kaiser Friedrich II. ergänzte und schließlich 1449 erweiterte Gerichtsstandsprivileg bei(17), durch das die Brüder Jakob und Ludwig V. von Lichtenberg von allen fremden Gerichten befreit wurden, besonders (1449) dem des königlichen Hofgerichts, des Hofgerichts Rottweil und sonstigen Landgerichten. - Die Beziehungen zum Königtum wurden durch den Erwerb von Reichszöllen stabilisiert. Der in Lichtenau residierende Heinrich IV. ließ sich 1370 durch den Reichsvikar Herzog Wenzel von Luxemburg den Zoll auf der Geleitstraße von Lichtenau nach Leutesheim übertragen(18) und durch Kaiser Karl IV. und König Wenzel 1372(19) und 1379(20) bestätigen. Der in Erweiterung der Geleitsrechte erhobene Zoll zu Lichtenau wurde 1395 von letzterem untersagt(21).

König Ruprecht verlieh Ludwig IV. 1404 einen weiteren Zoll auf der Kinzig bei Willstätt unter Festsetzung genauer Tarife für die durchgeführte Kaufmannsware(22). 1414 wurde dieser zusammen mit dem zu Lichtenau von König Sigmund bestätigt(23). Von 1442 an(24) bis 1712 wurden beide Zölle, die zu Wasser und zu Land, auf der Kinzig und auf dem Rhein bei Grauelsbaum oberhalb von Selz erhoben wurden, in einer ununterbrochenen Folge von Lehnsbriefen(25) an die Lichtenberger und ihre Rechtsnachfolger verliehen, bis 1801 von der nunmehr zuständigen Darmstädter Regierung Überlegungen zur Verlegung der Zollstätte nach Scherzheim angestellt wurden(26). - Am Territorialbestand der Herrschaft Lichtenberg hatte sich trotz vielfacher Teilungen (siehe unten) bis zum Ende der Herrschaft kaum etwas geändert. Verwaltungsmäßig war das Gebiet in die beiden Ämter Lichtenau und Willstätt gegliedert, von denen das erstere bis ins 18. Jahrhundert auch einige elsässische Orte umfaßte und zeitweise von einer eigenen Vogtei Bischofsheim mit den Dörfer (Rhein-)Bischofsheim, Hausgereut, Holzhausen, Diersheim, Linx, Bodersweier, Ober- und Niederfreistett separat verwaltet wurde(27). Einem Verzeichnis von etwa 1600 zufolge(28) gehörten dem Amt Lichtenau (einschließlich der Vogtei Bischofsheim) die Stadt Lichtenau mit den Dörfern Scherzheim, Grauelsbaum, Helmlingen, Muckenschopf und Memprechtshofen an, als straßburgische Lehen außerdem die Dörfer Freistett, Bischofsheim, Holzhausen, Linx, Hohbühn, Diersheim, Bodersweier, Zierolshofen, Leutesheim und Rencherloch.

Zum Amt Willstätt zählten Kork, Odelshofen, Neumühl, Eckartsweier, Hesselhurst, Legelshurst, Bolzhurst, Sand und Auenheim, als straßburgische Lehen außerdem Willstätt, Querbach und Hohnhurst. Bis ins 18. Jahrhundert hinein zählten zum Amt Lichtenau schließlich die linksrheinischen Dörfer Offendorf, Herlisheim, Drusenheim, Rohrweiler und Oberhofen, die von der darmstädtischen Zeit an ein eigenes Amt Oberhofen bildeten(29). Das Lehnsband mit dem Bistum Straßburg blieb bis zum Ende der Herrschaft aufrechterhalten(30). - Einem Einwohnerverzeichnis von 1590 zufolge(31) wurden für die Ämter Willstätt und Lichtenau ohne den linksrheinischen Teil etwa 600 und 555 Familien gezählt, was insgesamt einer Einwohnerzahl von etwa 5.200 entsprochen haben dürfte(32). Die meisten Familien zählte Freistett (105), gefolgt von Bischofsheim (84), Willstätt (80) und Auenheim (79). Die Amtseinnahmen an Bede, Zoll, Zinsen und Zehnten waren beträchtlich und umfaßten 1501(33) nach Abzug der ständigen Verpflichtungen einen Betrag von 1.322 fl. Der mitgerechnete Zoll zu Willstätt betrug für dieses Jahr 183 fl. Hinzu kamen unterschiedliche Frucht-, Schäferei- und Waldeinnahmen.

Die rechtsrheinischen Ämter Willstätt und Lichtenau wurden erstmals um 1330(34) zwischen Hanemann von Lichtenberg, einem Enkel Heinrichs II., und Ludwig III. einem Enkel dessen jüngeren Bruders Ludwig II., aufgeteilt. Als der letztere seinen Besitz 1335 erneut mit seinen Neffen Sigmund und Johann teilte(35), behielt er sich die rechtsrheinischen Gebiete vor und verlegte seinen Sitz auf die Burg Lichtenau. Hanemann mußte sich seinerseits nach einem Schiedsspruch des Straßburger Bischofs Berthold von 1346 verpflichten(36), seinen Anteil mit Willstätt einschließlich Eckartsweier an seinen Sohn Heinrich III. zu übergeben. Für die weitere Geschichte grundlegend wurde eine erste Herrschaftseinung, die der Straßburger Dompropst und spätere Bischof Johann von Lichtenberg mit den Vertretern beider Lichtenberger Linien zu gegenseitigem Schutz abschloß(37). Bischof Johann von Lichtenberg vermittelte schließlich 1361(38) und 1362(39) je ein Erbstatut zwischen Mitgliedern der jüngeren und älteren Linie. In beiden Fällen wurde die gegenseitige Beerbung im Falle des Aussterbens einer Teillinie vereinbart, wobei im ersteren Fall Burg und Stadt Lichtenau, in letzterem Fall Burg und Stadt Willstätt als gemeinsamer Besitz angesehen wurde. Die zahlreich überlieferten Abschriften der Statute bis ins 18. Jahrhundert hinein(40) weisen auf ihre Bedeutung für die spätere Herrschafisgeschichte hin. Obwohl durch Aussterben der älteren Linie 1390 alle Teile in der Hand Ludwigs IV. vereinigt werden konnten, kam es 1440 erneut zur Herrschaftsteilung zwischen seinen Söhnen Jakob (ab 1458 Graf) und Ludwig V.(41), wobei ersterer das Amt Willstätt, letzterer das zu Lichtenau erhielt.

Durch Schiedsspruch Kurfürst Friedrichs I. von der Pfalz von 1466(42) wurde ersterer ganz auf die mit 1.000 fl. taxierten Nutzungen von Schloß und Flecken Willstätt beschränkt, konnte sich aber nach dem Tode Ludwigs V. erneut in den Alleinbesitz der rechtsrheinischen Ämter setzen. Als letzter der männlichen Linie schloß er allerdings noch im gleichen Jahr(43) einen Vertrag mit dem Grafen Philipp I. von Hanau und Simund Wecker von Zweibrücken-Bitsch, den Ehemännern der lichtenbergischen Erbtöchter Anna und Elisabeth, durch den er diesen die Herrschaft Lichtenberg für den Fall seines Todes je zur Hälfte überließ. Diese setzten sich jedoch sofort in den Besitz der Güter und ließen sich 1472 und 1473 auch die bischöflich Straßburger Lehen bestätigen(44). Die Teilung zwischen Lichtenau und Willstätt nach dem Tode Jakobs 1480 blieb kurzfristig, da Lichtenau der Witwe Ludwigs V. zeitweilig als Wittum überwiesen worden war(45).

Schwerwiegender waren die Streitigkeiten zwischen Hanau-Lichtenberg und Zweibrücken-Bitsch um die Ausübung der gemeinsamen Herrschaft. Sie wurden 1513 von Sigmund von Falkenstein im Auftrag Kaiser Maximilians I. dahingehend entschieden, daß das Amt Willstätt den Hanauern, das Amt Lichtenau den Zweibrückenern zugewiesen wurde(46). Der Streit erledigte sich, als mit dem Tod des letzten Zweibrücker Grafen Jakob 1570 der Gesamtbesitz rechts des Rheins an dessen Schwiegersohn, Graf Philipp von Hanau-Lichtenberg, fiel. Da dieser gleichzeitig auch die Gesamtbelehnung mit den hochstift-straßburgischen Lehen erreichen konnte(47), blieb die Herrschaft bis zum Aussterben der Familie in der Hand der Grafen von Hanau. Philipp IV. hatte 1545 im Amt Willstätt(48), nach Anfall des Amts Lichtenau auch hier(49) die Reformation eingeführt. Sein Residenzschloß in Lichtenau ließ er ab 1555 umfassend renovieren und erweitern(50). Der ab 1652 regierende Graf Johann Reinhard II. wählte nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges (Rhein-)Bischofsheim zur Residenz aus(51) und verlegte im oberen Land den Amtssitz von Willstätt nach Kork.

Als der letzte Hanauer in männlicher Linie, Johann Reinhard, 1736 starb, fiel die Herrschaft Lichtenberg an seinen Schwiegersohn Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt, der nach schwierigen Verhandlungen mit dem Straßburger Bischof Herzog Armand Gaston von Rohan 1737 die Bestätigung der Straßburger Lehen erreichen konnte(52). Die ab 1789 von revolulionären Erhebungen erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Reichsämter Willstätt und Lichtenau(53) fielen mit dem Reichsdeputationshauptschluß 1805 an das Kurfürstentum und spätere Großherzogtum Baden(54), das seinerseits über eine mit Kurfürst Karl Friedrich von Baden verheiratete Tochter Ludwigs VIII., Karoline Louise, Erbanwartschaften geltend machen konnte(55). Als Bezirksämter Kork und Rheinbischofsheim lebten die hanau-lichtenbergischen Gebiete im Großherzogtum Baden weiter, wurden 1856 im Amt Kork vereinigt und schließlich 1881 dem Amt Kehl angegliedert.

1.) Territorialbesitz bis 1480 bei Eyer, Karten nach S. 56, 128, 240.  
2.) Urk. 1249 Juli 15, A. Hessel, M. Krebs (Hrsg.), Regesten der Bischöfe von Straßburg Bd. 2 (Innsbruck 1928) Nr. 1313; Urkunden 1259 und 1265, LU Nr. 33, 51.  
3.) A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands Bd. 5 (Leipzig 1920) S. 1146 f.  
4.) LU Nr. 104.  
5.) LU Nr. 48, Druck Beinert, Hanauerland S. 16.  
6.) LU Nr. 134.  
7.) Aufzählung bei Mechler S. 31 fehlerhaft.  
8.) LU Nr. 275. Auenheim war vermutlich schon 1295 Straßburger Lehen der Lichtenberger, Urk. 1295 Mai 10, LU Nr. 134.  
9.) Übertragung an Ludwig II., Urk. 1260 April 11, RI 5, 1, hrsg. J. Ficker (Innsbruck 1881 - 1882, ND Hildesheim 1971) Nr. 4777.  
10.) Beinert, Hanauerland S. 25.  
11.) LU Nr. 154, Druck: Beinert, Hanauerland S. 19 f. Bereits mit Urk. von 1300 Febr. 1 (LU Nr. 157) erteilte Johann von Lichtenberg allen Zuziehenden zur Erwerbung des Bürgerrechts weitgehende Steuer- und Dienstbefreiungen.  
12.) Mechler S. 31 f.; Eyer S. 114 f.  
13.) Vgl. zum Gesamtabschnitt Eyer S. 227 ff., 235 ff.  
14.) LU Nr. 795.  
15.) LU Nr. 4008; Druck: Beinert, Hanauerland S. 98 ff.  
16.) Preisendanz S. 127; Beinert, Hanauerland S. 96; weitere "Waldgenossenschaften" bestanden im "Fünfheimburgerwald" um Scherzheim (ebd. S. 85 ff.), teilweise dem Kloster Schwarzach zustehend, und im Freistetterwald (Maiwaldgenossenschafl, ebd. S.92 ff.), teilweise dem Bischof von Straßburg unterstehend.  
17.) F. Battenberg, Die Gerichtstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige bis zum Jahre 1451 (Köln 1983) Nr. 1387 (= LU Nr. 2454), 1455, 1522 (= LU Nr. 2763).  
18.) LU Nr. 1608. Wenige Tage später nahm Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz, der spätere König, Ludwig von Lichtenberg gegen Aufnahme in den Burgfrieden zu Lichtenau und Willstätt in seinen Schutz, mit dem ausdrücklichen Versprechen, bei König Wenzel die Restitution des Zolls zu Lichtenau und Willstätt erwirken zu wollen, LU Nr. 1609 - 1611.  
19.) LU Nr. 1083.  
20.) LU Nr. 1235.  
21.) LU Nr. 1608.  
22.) LU Nr. 1780.  
23.) LU Nr. 1964.  
24.) LU Nr. 2619.  
25.) Lehnsbriefe von 1476 Jan. 29 (LU Nr. 3994), 1540 Juni 9 (LandesA Speyer C 19 U 155) 1566 Febr. 1, 1566 Juni 3, 1640 Mai 3, 1660 Dez. 8 und 1682 Okt. 6 (StA Darmstadt D 21 A Nr. 50 / 2 Bl 35 - 53); nach Bericht von 1801 (wie Anm. 26) wurde der letzte spezifizierte Lehnsbrief 1712, das letzte "Indultum indefinitum" 1747 erteilt. Ab 1417 kam es vor Konzil zu Konstanz zu Prozessen mit dem Kloster Schwarzach, das Befreiung vom lichtenbergischen Zoll beanspruchte, LU Nr. 2013, 2017, 2018, 2087 - 2089.  
26.) Bericht Kuders 1801 Sept. 25, StA Darmstadt D 21 A Nr. 50 / 2.  
27.) Verzeichnis von 1501, StA Darmstadt D 21 B Nr. 16 b.  
28.) StA Darmstadt D 21 A Nr. 49 / 2.  
29.) StA Darmstadt D 21 A Nr. 14 / 2; D 21 B Nr. 16 b Verzeichnisse von 1501 und um 1700.  
30.) Bischöflich-Straßburger Lehnsurkunden 1472 Juli 7, 1473 April 12, 1480 Jan. 26, 1507 Dez. 27, 1533 Dez. 11, 1539 Mai 12, 1542 Sept. 25, 1570 Nov. 26, 1610 März 8, 1627 Sept. 24, 1653 Juni 30, 1718 Juni 11 und 1737 Juli 24, LU Nr. 3884, 3914, 4143; StA Darmstadt D 21 A Nr. 54 / 1 BI 112 - 121, 257 - 300c, Nr. 55/6 BI 1 - 2, 33 - 35, 54 - 59 und 68 - 69v.  
31.) Beinert, Hanauerland S. 184 f.  
32.) Bei Zugrundelegung eines Umrechnungsfaktors von 4,5; Beinert kam beim Faktor 5 auf knapp 5.800 Einwohner, ebd., übernommen von Mechler S. 35.  
33.) Verzeichnis StAD D 21 B Nr. 16b; weitere Verzeichnisse ebd. 16a, 16c.  
34.) Genaues Datum nicht bekannt; hierzu wie zum folgenden Eyer S. 77 ff.  
35.) LU Nr. 420 - 421; dazu Clemm S. 61 ff.  
36.) LU Nr. 593.  
37.) LU Nr. 725.  
38.) LU Nr. 901.  
39.) LU Nr. 910.  
40.) Besonders StA Darmstadt D 7 Nr. 28 / 3, 28 / 4; die Originale wurden in Kammergerichtsprozessen von 1668 verwendet.  
41.) LU Nr. 2572; s. dazu Eyer S. 97 ff.  
42.) LU Nr. 3726.  
43.) LU Nr. 3866.  
44.) LU Nr. 3884, 3914.  
45.) Mechler, S. 34. In Ausführung eines Urteils Kurfürst Philipps von der Pfalz als kammergerichtlicher Kommissar von 1478 Dez. 4, LU Nr. 4108; Ludwigs V. Witwe, Elisabeth von Hohenlohe, später verh. von Montfort, verstarb bereits 1488.  
46.) StA Darmstadt A 14 Nr. 3758, nach Abschrift Archives Départementales Strasbourg 36 J 6 Nr. 963; nach Urk. von 1517 August 17 (StA Darmstadi A 14 Nr. 3768, nach Arch. Dép. Strasbourg 36 J 6 Nr. 970) legte der elsässische Landvogt Hans Jakob v. Mörsberg die Einzelheiten der Teilung fest; vgl. Mechler S. 34.  
47.) Urk. 1570 April 26, StA Darmstadt D 21 A Nr. 54 / 1 Bl 286 - 287.  
48.) Schreiben 1545 März 11, StA Darmstadt D 21 A Nr. 12 / 1 Bl 12v; Einsetzung Anselm Pflügers als Reformator, Beinert, Hanauerland S. 168 ff.  
49.) Schreiben Philipps IV. 1570 Sept. 17, StA Darmstadt D 21 A Nr. 12 / 1 Bl. 60; Beinert 18 ff.  
50.) Beinert, Hanauerland S. 177 ff.  
51.) Ebd. S. 222 ff.  
52.) Urk. 1737 Juli 24, StA Darmstadt D 21 A Nr. 55 / 4 und 55 / 6 Bl 68 - 69v; ebd. Akten dazu.  
53.) Mandat Landgraf Ludwigs IX. 1789 Okt. 8, StA Darmstadt D 21 A Nr. 24 / 1 Bl 2 - 3; ebd. Bl 4 ff. Akten zum hessischen Militäreinsatz im Hanauerland gegen Aufständische.  
54.) StA Darmstadi E 1 L Nr. 17b / 1, Verhandlungen ab 1802; Beinert, Hanauerland S. 345 ff.  
55.) Siebert S. 49; vgl. insg. F. v. Weech, Badische Geschichte (Karlsruhe 1896, ND Magstadt 1981) S. 463 ff.  

Die Herren von Hanau-Lichtenberg von Friedrich Stengel - Die Ortenau 1937, S. 108 ff.(1)

Mit dem Tode des letzten Grafen von Hanau-Lichtenberg endete im Mannesstamme ein Geschlecht, das 256 Jahre hindurch (1480 - 1736) das Zepter über "das Hanauerland" gehalten hat. Zu diesem gehörten die beiden rechtsrheinischen Oberämter Lichtenau und Willstätt, während der weit größte Teil der Grafschaft auf der linken Seite des Rheins im jetzigen Unterelsaß lag. Vor den Grafen von Hanau regierten etwa 200 Jahre lang die Herren von Lichtenberg (Nordvogesen) über diese Gegend. Am Beginn ihrer Herrschaft steht die markante Gestalt Konrads III., des Bischofs von Straßburg und des Erbauers von Burg und Stadt Lichtenau. Als geistlicher und als weltlicher Herr spielte er zu seiner Zeit eine bedeutsame Rolle. Als sein Schwager Egon III. von Freiburg mit dieser Stadt in Fehde lag, und der Bischof ihm mit 1.200 Mann zu Hilfe kam, wurde Konrad bei einem Ausfall durch einen Freiburger Metzger tödlich verwundet und nach Straßburg zurückgebracht, wo er am 1. August 1299 verschied.

Die Lichtenberger Dynastie erlosch im Mannesstamme mit dem Ableben des in den Grafenstand erhobenen Jakob des Bärtigen am 5. Januar 1480; durch ein Bauernmädchen, die schöne Bärbel von Ottenheim, das er an seinen Hof zog, erlangte er eine gewisse Berühmtheit. Sein bereits im Jahre 1471 verstorbener Bruder Ludwig V. hinterließ zwei Töchter, Anna († 1474) und Else († 1495). Die erstere wurde 1458 die Gemahlin des Grafen Philipp I. von Hanau (1417 - 1480), die zweite diejenige des Grafen Simon Wecker IV. von Zweibrücken-Bitsch († 1499). Die beiden Eidame teilten sich in den Besitz der Lichtenberger Lande. Philipp I. als Stammvater der Hanau-Lichtenbergischen Herrscherfamilie nannte sich Graf von Hanau-Lichtenberg; daher kommt der Name Hanauerland. Sein Sohn Philipp II. (1462 - 1504) vermählte sich mit Anna von Isenburg, starb aber bereits mit 42 Jahren an körperlicher Schwäche. Auf ihn folgte Philipp III. (1482 - 1538), der eine Sibylle von Baden († 1518 in Willstätt) zur Gemahlin hatte. Er soll anfangs der Reformation nicht abgeneigt gewesen sein, führte sie schließlich aber nicht durch, weil der Bauernkrieg von 1525 ihm schwer zusetzte. Sein Sohn und Nachfolger Philipp IV. (1514 - 1590), Gemahl der Eleonore von Fürstenberg († 1544), regierte 52 Jahre als "milder und umsichtiger Herrscher".

l.) Die Arbeit sollte zum 200jährigen Todestag des letzten Grafen 1936 erscheinen, mußte aber aus technischen Gründen auf dieses Jahr zurückgestellt werden.

1545 führte er die Reformation ein und sandte den Pfarrer Anselm Pflüger nach Willstätt als Reformator des oberen Hanauerlandes, während im unteren Hanauerland (Lichtenau), wo der katholisch gebliebene Bitscher Graf mitbestimmte, erst nach dessen Tode (1570) die Bewohner evangelisch wurden, nachdem von sich aus manche Gemeinden den Übertritt zum neuen Glauben vollzogen hatten(1).

Durch seinen Sohn und Nachfolger Philipp V. (* 1541), der neun Jahre regierte (1590 - 1599), und der mit dem einzigen Kinde des Bitscher Grafen Jakob (1503 - 1570), Margaretha Ludowika, verheiratet war, wurden die beiden Erblande nach dem Tode des Schwiegervaters wieder vereinigt.

1.) In dem bekannten Straßburger Verlag von J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) erschienen zur deutschen Zeit "Elsässische Volksschriften", von denen Heft 1 mit dem Titel "Wie Schloß Lichtenberg eine Ruine wurde" von dem allgemein hochgeschätzten Lichtenberger Pfarrer Ed. Spach verfaßt ist. Im "Vorwort" berichtet er, daß in der Schloßkapelle die Grabinschrift von Philipp IV. noch zu sehen war. "Die steinerne Inschrift zerbröckelt nach und nach, und ich bin froh, daß ich sie hier verzeichnet habe." Sie "lautet wörtlich und buchstäblich, wie folgt":

Philipps Grave zu Hanaw Herr zu Lichtenberg
wohlgebor
Wardt ime Jar MDXIIII geboren
Den XX - Septembris ist zu merken das
Sibilla Margravi zu Bade sein Mvtter was
Im Jar fünfzehnhundert dreissig acht
Wardt ime Eleonora v Fürsteberg zur Ehe gebracht
Sie lebt in aller Gottseligkeit
bis sie das zeitlich Leben von ihr laidt
Anno vierzig vier iren Erlöser erkendt
Den neun und zwanzigsten Junii nams ein
selig Endt
Sechs Kinder ine Gott bescheeret hat
deren leben noch vier im ehelichen und Wittwestat
Der Kirch er sich trewlich annom
wardt ir Pfleger und ir Patron
In seim Landt in Religion
richt er die cölnisch Ordnung an
Zur Zeit des Interims grosser List
von derselbigen nicht abgewichen ist
Sein Underthon woll regiert ist
mit Gericht und Gerechtigkeit sie ziert
In seines gantzen Lebenszeit
fleist er sich aller Gottseligkeit
bis er endlich des Lebens satt
sein Hüttlin abgeleget hat
da man zelet der kleinen Zaal
[1590] Sein Seel on alle Qvl[al]
lebet Der Leib hie ruhet schon
in disem Grab welches er bat
im zu rüsten bei Lebenszeit
und wart der Stundt on alles L[eid]
da christvs Leib v Seel zusam
wirdt geben das ewig Leebe Am[en]

Philipp V. war noch zweimal verheiratet mit Katharina von Wied und Agatha von Limburg. Als Tübinger Student hatte er sich gute Kenntnisse erworben, namentlich in Mathematik und Astronomie, und ließ die ersten Hananer Münzen prägen. Sein Sohn Johann Reinhard I. (1568 - 1625) war 26 Jahre an der Regierung in schwieriger Zeit beim Herannahen und Losbrechen des Dreißigjährigen Krieges. Er ist der Begründer des humanistischen Gymnasiums in der Hanauer Haupt- und Residenzstadt Buchsweiler (Elsaß) 1612 und der Erbauer der beiden evangelischen Kirchen in Bodersweier 1616 und Linx 1619. Seine erste Gemahlin war Elisabeth von Hohenlohe, die zweite Rheingräfin Anna. Ihm folgte sein Sohn Philipp Wolfgang (1595 - 1641); er war in erster Ehe mit Johanna von Oettingen, in zweiter mit Rheingräfin Dorothea verheiratet. Seine 16jährige Regierungszeit fiel ganz in den Dreißigjährigen Krieg mit seinen Schrecken. 1632 wird Willstätt zerstört, bald darauf Lichtenau, die beiden festen Plätze rechts des Rheines.

Kaiserliche und schwedische Soldateska machten das ganze Land durch Plünderung und Brandschatzung zur Wüstenei; Hunger und schwarzer Tod hielten grausame Ernte. Der Graf war wie seine Untertanen als Flüchtling öfters auf den Rheininseln. Über all dieses Elend berichtet Quirin Moscherosch, der Pfarrer von Bodersweier, in seinen Gedichten. Inmitten dieser großen Kriegsnot schloß der Graf seine Augen, drei minderjährige Söhne (Johann Reinhard, geb. 1629, Friedrich Kasimir, geb.1623, Johann Philipp, geb.1626) hinterlassend. Ihr Vormund, Graf Johann Ernst von Hanau-Münzenberg, starb kinderlos bereits 1642, wodurch sein Land an die Hanau-Lichtenberger Linie fiel. Johann Reinhard II. (1629 - 1666) bekam nach feiner Volljährigkeit das Amt Lichtenau zu seinem Lebensunterhalt, während der Älteste, Friedrich Kasimir (1623 - 1685), dessen Gemahlin Sibylla von Dessau war, in Hanau regierte. Der mittlere Bruder Johann Philipp (1626 - 1669) heiratete Susanne von Dessau.

Johann Reinhard II. wurde mit Recht der "Wohltäter" und "Kirchenerbauer" genannt; er gab auch 1659 die Kirchenordnung heraus. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im Schlosse zu "Bitschen am hohen Steg" (dem heutigen Rheinbischofsheim) und war von seinen Untertanen hochverehrt Und geliebt. Hier wurden ihm von seiner Gemahlin Anna von Birkenfeld neben drei Töchtern zwei Söhne geboren, und zwar am 2. August 1664 Philipp Reinhard und am 1. August 1665 Johann Reinhard. Tiefste Trauer herrschte im ganzen Lande, als er im blühenden Alter von 37 Jahren am 25. April 1666 starb. Als treubesorgte Vormünderin ließ die Witwe ihren Kindern die beste Erziehung und Ausbildung zuteil werden.

Charlotte Tochter Johann Reinhards III Erbprinzessin von Hessen Darmstadt Nach einem Oelgemaelde im Schloss zu Darmstadt
Charlotte, Tochter Johann Reinhards III., Erbprinzessin von Hessen-Darmstadt. Nach einem Ölgemälde im Schloß zu Darmstadt.

Johann Reinhard III. erhielt nach dem Tode seines kinderlosen Onkels, Friedrich Kasimirs, 1685 sämtliche Hanau-Lichtenbergischen Lande, während sein älterer Bruder Philipp Reinhard Hanau-Münzenberg übernahm. Als letzterer 1712 kinderlos starb(1), kam sein Gebiet auch an Johann Reinhard III. Als Letzter seines Namens faßte dieser alle hanauischen Lande in einer Grafschaft zusammen. Seiner Ehe mit Dorothea von Ansbach entsproß als einziges Kind Charlotte Christine (1700 - 1726), die 1717 den Erbprinzen und späteren Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt heiratete, aber schon 1726 verschied, nachdem sie ihrem Gatten sechs Kinder geschenkt hatte; darunter befindet sich Karoline Luise (1723 - 1783), die seit 1752 Gemahlin des Markgrafen, späteren Kurfürften und Großherzogs Karl Friedrich von Baden (1728 - 1811), wurde. Diese familiären Beziehungen wurden der Anlaß, daß unser Hanauerland 1803 an Baden fiel.

Der so frühe Tod seiner Tochter, der Universalerbin der hanau-lichtenbergischen Lande, traf den alternden Grafen Johann Reinhard aufs tiefste. Dazu kamen Schwierigkeiten innen- und außenpolitischer Art, die seinen Lebensabend überschatteten; auch besaß er die Sympathie der Untertanen lange nicht wie sein Vater. Doch war große Trauer im Land, als er am 26. März 1736 das Zeitliche segnete; sie war aber stark mitbedingt durch die Tatsache, daß das altehrwürdige Herrschergeschlecht, das dem Land nicht nur den Namen gab, sondern sein Schicksal bestimmte, aus einer reichbewegten Geschichte abtrat, um einer fremden Regierung - Hessen-Darmstadt (1736 - 1803) - den Platz zu räumen.

Nächst dem dreißigjährigen Blutvergießen waren es die Raubkriege des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV., die Erbfolgestreitigkeiten und die Revolutionskriege die Not und Elend über das Hanauer Land brachten. Die rechtsrheinischen Ämter Lichtenau und Willstätt wurden durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 Baden zugesprochen und schon im Herbst 1802 durch badische Truppen besetzt. Unter dem Zepter der Zähringer blühte das Hanauerland auf bei treuem Festhalten an seiner Tradition. Der Deutsch-Französische Krieg war für uns siegreich und von größter Bedeutung durch das wie der deutsch gewordene Straßburg und Elsaß. Gewaltige Opfer brachte das Hanauerland im Weltkrieg 1914 - 1918 und noch mehr in der fast zwölfjährigen Besatzungszeit 1919 - 1930. Mit besonderer Freude erlebte es die nationale Erhebung, die am 7. März 1936 die endgültige Befreiung am Rheine brachte, und das Dritte Reich, zu dem es an der südwestdeutschen Grenzmark in Treue steht, würdig seiner über 650jährigen Vergangenheit, in deren Mitte die Grafen von Hanau-Lichtenberg stehen.

1.) Er war zweimal verheiratet, zuerst mit Magdalena von Birkenfeld, später mit Charlotte von Sachsen-Saalfeld.


Die Grafschaft Hanau-Lichtenberg von Julius Rathgeber - Straßburg 1876

Kapitel VIII

Das Hanauer Land nach dem Westphälischen Frieden - S. 128 ff.

Der 24. Oktober 1648 war der denkwürdige Tag an welchem die Friedensurkunden zu Osnabrück und Münster in Westphalen zwischen dem deutschen Kaiser, der Krone Schweden und dem Könige von Frankreich unterschrieben wurden. Der Kaiser trat durch den Westphälischen Frieden alle dem Hause Habsburg zustehenden Rechte aus Breysach, die Landgrafschaft Ober- und Unter-Elsaß, den Sundgau und die Vogtei der zehn elsässischen Reichsstädte zu Gunsten Frankreichs ab. Diese Reichsstände sollten jedoch keinen Abbruch an ihren Rechten und Freiheiten erleiden, ihre Reichsunmittelbarleit behalten, dem Reichskammergericht unterworfen bleiben, aber unbeschadet dem französischen Oberhoheitsrechte. Es lag in der Natur der Dinge, daß eine so zweideutige Fassung Anlaß zu zweifacher Auslegung geben würde und daß schließlich die Gewalt des Stärkeren den Knoten lösen würde.

Die Grafen von Hanau behielten ihre Lande, und ihr Verband mit dem deutschen Reiche, dessen Fürsten sie waren und in dessen Reichsversammlungen sie Sitz und Stimme besaßen, bestand nach wie vor fort, allein sie mußten dem König von Frankreich nichts destoweniger huldigen und den am 20. April 1649 ernannten ersten französischen Landvogt des Elsasses, den Grafen von Harcourt, in dieser Eigenschaft anerkennen.

Mitten unter den Wirren des dreißigjährigen Krieges war Graf Philipp Wolfgang von Hanau gestorben und hatte drei Söhne hinterlassen. Nach seiner letzten Willensverfügung sollte ihm sein ältester Sohn Friedrich Casimir in der Regierung nachfolgen und sich mit seinen beiden jüngeren Brüdern abfinden. Solches geschah auch; der älteste Bruder trat den beiden jüngeren die rechtsrheinischen Aemter Willstätt und Lichtenau, sowie das Münzenburgische Amt Babenhausen ab, und nahm die Zügel der Regierung in seinen übrigen Landen in die Hand.

Die Nachwehen des dreißigjährigen Krieges ließen sich überall spüren. Derselbe hatte dem Hanauer Lande eine große Schuldenlast aufgebürdet, die um so drückender auf ihm lastete, als neue Ausgaben, die unvermeidlich waren, die Staatskasse völlig erschöpften. So war Beispielsweise das alte Kanzleigebäude in Buchsweiler am Zusammenfallen, so daß Friedrich Casimir den 11. Juni 1658 den Grundstein zu einem Neubau (dem heutigen Rathhause) legte, der 1663 vollendet wurde. Derselbe Graf erließ auch den Befehl: die in vorgewesenem Kriege ruinirte städt Buchsweiler, Ingweyler, Neuweyler und Westhofen an Mauern und Zwingen nach Möglichkeit wiederumb zu repariren, damit solche under Ihrer Gnaden Regierung nicht gäntzlich desolirt werden möchten. In welchem kläglichen und verwahrlosten Zustande die Umgebungen dieser vier Städte sich befanden, geht aus dem Umstande hervor, daß jener Graf im Jahr 1663 gebieten mußte, dieselben von Boumen (Bäumen), streuchern und anderen den Mauern schädlichen sachen zu säubern.

Um diesen nothwendigen Ausgaben zu genügen, mußte Friedrich Casimir Anno 1664, das ehemalige Schloß Ochsenstein mit seinen beträchtlichen Waldungen, sowie die Dörfer Kirchenstill (später Reinhardsmünster) und Allenweyler, nebst dem Zehnten zu Weyersheim an den Bischof von Straßburg, Franz Egon zu Fürstenberg, um 55.000 Gulden verpfänden.

Bereits im Jahre 1651 hatte Graf Friedrich Casimir eine Verordnung erlassen, laut welcher ein jeder hanauische Unterthan die Rechtstitel seiner Grundbesitzungen vorweisen sollte, weil während dem langen verderblichen Kriege viele Geschlechter ausgestorben und die Gränz- und Marksteine verrückt worden waren. Im Jahre 1665 waren diese Arbeiten beendigt; eine neue Gütereintheilung fand statt und neue Bannbücher wurden allenthalben angelegt.

Da eine Menge von Aeckern und Wiesen unbebaut und verödet da lagen und herrenloses Gut geworden waren, so suchten die regierenden Herrschaften im Elsaß, im Einverständniß mit der französischen Regierung, neue Ansiedler in’s Land zu bringen. Sie versprachen denselben freies Land, Freiheit von Steuern und bürgerlichen Lasten während drei Jahren, Glaubens- und Gewissensfreiheit u. s. w. Dies lockte viele Schweizer, auch Wiedertäufer, in das Land. So legte Generalmajor Reinhold von Rosen, einer der Grenznachbaren der Grafen von Hamm, eine schweizerische Colonie in der Nähe von Dettweiler an, woselbst er ein Schloß besaß, und nannte dieselbe, nach seinem Namen Rosenweiler. Diese Colonie wurde an die Stelle eines im dreißigjährigen Kriege abgebrannten Dorfes, Klein-Wiesentau, erbaut. Noch finden sich in den hanauischen Ortschaften viele Familiennamen vor, die an ihre Schweizerabkunft erinnern, z. B. Frauli, Kobi, Herdy, Zumstein, Wohlgemuth,Fürsstenberger, Jaggi, Sigrist, Eckly, Schweitzer u. a. m. Auch aus der benachbarten Pfalz, wo binnen 50 Jahren die Unterthanen ihren Glauben dreimal wechseln mußten, kamen etwas später, gegen 1690, viele, um der Religion willen vertriebene Emigranten an, die einen neuen Heerd im Elsaß gründeten. So nahm die Bevölkerung wieder langsam, aber stetig zu.

Im Jahre 1665 trat im hanauischen Dorfe Preuschdorf, am Fuße des Liebfrauenberges, ein Pfarrer sein Amt an, dessen Name in den hanauischen Landen in Ehren zu bleiben verdient, da er ein Wohlthäter für die ganze Gegend wurde. Es war dies Johannes Baurheim. Als dieser würdige Seelsorger die große Armuth der hanauischen Bauern, eine Folge der Nachwehen des dreißigjährigen Krieges, bemerkte, führte er die Pflanzung der Pflaumenbäume ein, die vorher im Hanauischen unbekannt war. Der Ertrag derselben war ein reicher und half den verarmten Landleuten in Etwas auf. Bald erhoben sich, wie ein grüner Kranz, um die meisten hanauischen Dörfer fruchtbare Obstbaumpflanzungen, die noch jetzt manchem Dorfe ein liebliches Ansehen geben und eine Quelle des Wohlstandes für die Bewohner geworden sind. Darum verdient das Gedächtniß des edlen Menschenfreundes Johannes Baurheim, als eines Wohlthäters des Hanauer Landes, auch unter den späten Enkeln in hohen Ehren zu bleiben(1).

Im Jahr 1666 fand im heiligen Geistspitale zu Stephansfelden, bei Brumath, eine Besprechung statt, zwischen dem Meister und Convent der Augustinerherren und den Räthen des Grafen von Hanau, welcher Kastenvogt, d. h. Schirmherr des Gotteshauses war. Man berieth über die Mittel und Wege, wie das Kloster von seiner während dem Kriege gemachten großen Schuldenlast befreit werden könnte. In demselben Jahre erhoben sich zwischen dem Grafen von Hanau und dem Stift Neuweiler einige Schwierigkeiten, weil die katholischen Stiftsherren sich weigerten die obere Kirche von Buchsweiler, in der freilich evangelischer Gottesdienst gehalten wurde, nach ihren Verpflichtungen zu unterhalten. Doch wurde dieser Streit bald wieder in Güte beigelegt.

1.) Wir erwähnen hier noch gelegentlich einer Sitte, die um jene Zeit im hanauischen Flecken Westhofen aufgekommen zu sein scheint. Nach derselben mußte jedes neuvermählte Ehepaar, im ersten Jahre seines Ehestandes, mit eigener Hand zwei Obstbäume pflanzen. Aus diese Weise wurde der früher kahle und unfruchtbare Geilstein bei Waßlenheim mit Obstbaumpslanzungen bedeckt.

In demselben Jahre 1666 entstand auch in der Grafschaft Hanau ein Kirchenstreit, welcher die verderblichsten Folgen hätte nach sich ziehen können, und das Band zwischen Lichtenberg und Münzenberg sicherlich gelockert hätte, wenn nicht der Geist der Milde und der Weisheit triumphirt hätte. Bekanntlich standen in früheren Zeiten Lutheraner und Reformirte in einem gespannten Verhältniß; man bekämpfte sich gegenseitig aufs Heftigste in Streitschriften und in lutherischen Landen wurde so wenig ein Reformirter geduldet, als ein Lutheraner in reformirten Gegenden. So wenig man eine Union zwischen beiden Kirchen als etwas Wünschenswerthes ansehen kann, so wenig ist aber auch andrerseits der Geist der Unduldsamkeit zu billigen, der bei dem Gegner alles Christenthum in Abrede stellt. Neben der Treue gegen die eigene Kirche und deren, auf Gottes Wort gegründete Bekenntniß, ist eine Würdigung des Guten bei den Reformirten gewiß berechtigt. Seit dem Westphälischen Frieden, der dem längsten und blutigsten aller Religionskriege, in welchem Katholiken, Lutheraner und Reformirte betheiligt waren, ein Ende machte, erhielten alle drei Confessionen das Recht der Gleichberechtigung und wurden den Reformirten die gleichen politischen und religiösen Freiheiten eingeräumt, wie den der Augsburgischen Confession zugewandten Stände. Dieser Wohlthat erfreuten sich gleichermaßen, seit einigen Jahrzehnten, die Unterthanen der, in der Wetterau gelegenen Grafschaft Hanau-Münzenberg, die das helvetische Glaubensbekenntniß angenommen hatten, als am 25. April 1666, der dort regierende Graf Johann Reinhard III. starb. Er hinterließ zwei noch unmündige Söhne, deren Vormund Graf Friedrich Casimir wurde. Dieser Herr war aber streng lutherisch und wollte demgemäß seine beiden Neffen auch in seinem Glauben aufziehen lassen. Dagegen ließ sich nichts einwenden; allein als auch davon die Rede war, lutherische Pastoren in dem Münzenbergischen Gebiete anzustellen, da erhoben sich unter der dortigen reformirten Bevölkerung allerlei bange Besorgnisse. Von allen Seiten wurden Klagen über Gewissensbedrückung laut, bis endlich, durch Vermittlung mehrerer befreundeter Fürsten, ein Vertrag in 39 Artikeln zu Stande kam, der das Kirchenwesen in der Grafschaft Hanau-Münzenberg regelte, um die Rechte des reformirten Bekenntnisses daselbst zu wahren.

Nach einer 25jährigen Friedensperiode, von 1648 - 1673, in welcher das Elsaß angefangen hatte, sich von den Wunden des Krieges zu erholen, wurde es wiederum der Schauplatz erneuter Kämpfe. Ludwig XIV. in seiner unersättlichen Ländergier, hatte der Republik Holland den Krieg erklärt und der flandrische Feldzug hatte begonnen; auch das deutsche Reich wurde in denselben hineingezogen und zu Ende des Jahres 1673 standen Frankreich und Deutschland aufs neue einander feindlich gegenüber. Das Elsaß war der Kampfpreis um den es sich handelte, und Franzosen wie Kaiserliche stritten sich, während sechs Jahren, um seinen Besitz. Dieser Krieg wurde von den Zeitgenossen unter dem Namen des Türennischen Krieges bezeichnet, weil dieser große Feldherr von 1673 - 1675 die Hauptperson in demselben war und durch seine glänzenden Siege der Krone Frankreich das Elsaß erhielt.

Bereits im Jahre 1672 war der Marschall von Türenne mit der französischen Armee über die Zaberner Steige in’s Elsaß eingerückt. Im August 1673 kam Ludwig XIV. mit seiner Leibgarde und einem ansehnlichen Heere, über Markirch in's Ober-Elsaß, um die Befestigungen von Neu-Breisach zu besichtigen. Er befahl, trotz aller Klagen und Bitten der Bevölkerungen, die Mauern von Colmar, Kaysersberg und Münster im Gregorienthal abzubrechen. Im Jahre 1674, zu Anfang Mai, kamen wieder einige tausend Franzosen in's Elsaß. Die Kaiserlichen waren auch in's Land eingefallen und hatten bei Straßburg ein festes Lager errichtet. Sie hatten drei Heerführer, der Herzog von Bournonville, Befehlshaber der Kaiserlichen: den großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Kriegsherr der Brandenburger, und Herzog Karl, Haupt der Lothringer. Nach manchem kleinen Scharmützel fand, in der Nähe von Straßburg, den 4. Oktober 1674, das Treffen von Entzheim statt, dessen Ausgang unentschieden blieb. Türenne bezog hieraus eine vortheilhafte Stellung bei Marlenheim, dann ließ er ein festes Lager zu Dettweiler errichten, allein die Umgegend war so verarmt, daß er laum die nöthigen Lebensmittel für seine Truppen auftreiben konnte. In Folge dessen brach er von Dettweiler auf und zog gen Ingweiler, um den Paß von Lützelstein zu überwachen. Die Alliirten beschlossen die Winterquartiere im Ober-Elsaß zu nehmen und Breysach zu belagern; allein Türenne, nachdem er seinen in der Kriegsgeschichte so viel bewunderten Flankenmarsch in Lothringen ausgeführt hatte, brach von Belfort aus unvermuthet wieder in’s Elsaß ein, überfiel die zerstreuten kaiserlichen Truppen und schlug sie nach einander; zuletzt traf er mit der alliirten Armee bei Türkheim, unweit Colmar, zusammen, wo er den 5. Januar 1675 den glänzenden Sieg davon trug, der für das Schicksal des Elsasses, zwei Jahrhunderte lang, entscheidend war. Nach der Schlacht von Türkheim verließ der Kurfürst von Brandenburg mit seinen Truppen das Elsaß, denn ihm war die Nachricht zugekommen, daß die Schweden in sein Land eingefallen wären. Die Kaiserlichen aber, die sich zu schwach fühlten, um es allein mit den Franzosen aufzunehmen, gingen wieder über den Rhein. Die Franzosen folgten ihnen; zwei der ausgezeichnetsten Feldherren des Jahrhunderts, Montecuculi, der Held aus dem Türkenkriege, und Türenne, Frankreichs erste militärische Größe, standen sich jetzt in den Gefilden der Markgrafschaft Baden gegenüber. Alles schien auf eine entscheidende Schlacht hinzudeuten; da traf, bei dem Dorfe Sasbach , den 27. Juli 1675, im Augenblick wo Türenne das feindliche Heer recognoscirte, die tödtliche Kugel die Brust des Helden, der lautlos vom Pferde fallend in den Händen der Seinen verschied. Der Graf von Lorges, sein Neffe, der nach Türennes Tod das Obercommando übernahm, zog sich mit seinen Truppen, wegen der Uebermacht des Feindes, über den Rhein zurück.

Im Jahre 1676 fanden neue Kämpfe im Elsaß statt. Der junge Herzog Karl von Lothringen hatte den greisen Montecuculi ersetzt und die französische Armee befehligte der Marschall von Luxemburg. Derselbe hatte sich, zu Ende Mai, am Fuße des Kochersberges gelagert. Die kaiserlichen Truppen standen zu Brumath. Es kam zu einem Treffen zwischen den beiden Armeen; die Franzosen wurden geschlagen und Luxemburg zog sich in das feste Zabern und in das nahe Gebirg zurück. Im französischen Heere herrschte die Ruhr, die viele Soldaten dahinraffte; auch hatte der Geist der Zügellosigkeit und Ungebundenheit unter den Mannschaften stark zugenommen. Die Kaiserlichen verfolgten ihren Sieg nicht und zogen sich zunächst gegen Hagenau und später wieder in's Badische zurück.

Im folgenden Jahre begann das kaiserliche Heer, unter dem Befehl des Herzogs Karl von Lothringen, seinen Feldzug gegen den Marschall von Créqui, Luxemburgs Nachfolger, und überschritt, bei Kehl, den Rheinstrom. Um die Kaiserlichen zu bekämpfen, rückte Créqui mit seinen Truppen über die Zaberner Steige in das Elsaß ein; er nahm sein Hauptquartier in Ingweiler und ließ seine Truppen bis zum 15. September ausruhen. Das kaiserliche Heer stand in der Gegend von Gugenheim und Mittelhausen. Créqui ließ nun Befestigungen zwischen Ingweiler und Pfaffenhofen aufwerfen, die sich rechts und links an der Mother hinzogen. Dieselben, von denen man noch heutzutage Spuren erblickt, sind unter dem Namen der Linien an der Mother bekannt. Es kam in diesem Feldzug zu keiner Schlacht; es wurde nur ein Reitergefecht geliefert, aus dem die Franzosen als Sieger hervorgingen.

Auch das hanauische Land ward in diesem Jahre heimgesucht. Die Kaiserlichen hatten sich der Feste Lichtenberg bemächtigt. Marschall Créqui unternahm im November 1677 die Belagerung des Schlosses, nahm es nach einigen Tagen ein und gab es der Plünderung preis. Ueberhaupt hausten die Franzosen in diesen Kriegsjahren übel in der Grafschaft Hanau. So wurde z. B. das Dorf Gottesheim, am Fuß des Bastberges, von ihnen im Jahre 1679 rein ausgeplündert und dann zusammengerissen. Die gräfliche Regierung suchte das Elend nach Kräften zu lindern; sie gestattete den Bewohnern das nöthige Bauholz unentgeltlich aus den herrschaftlichen Waldungen zu holen und gewährte ihnen für 4 Jahre vollkommene Steuerfreiheit. Die Grafschaft Hanau-Lichtenberg war zu dieser Zeit so sehr herabgekommen, daß die verwittwete Gräfin Anna Magdalena, frühere Gemahlin Johann Reinhards II., ihren Wittwensitz zu Lichtenau mit ihren fünf Kindern verlassen mußte, weil sie dort allzusehr darbte. Sie zog sich in das Münzenbergische zurück. Diese edle Fürstin hatte all' ihren Schmuck hergegeben, um das Elend ihrer hartbedrängten Unterthanen zu erleichtern.

Endlich wurde, den 5. Februar 1679, der Friede zu Nymwegen geschlossen. Der Besitz des Elsasses, mit Ausnahme der freien Reichsstadt Straßburg, wurde, unter denselben Bedingungen, wie bereits der Westphälische Friede festgestellt hatte, der Krone Frankreich bestätigt. Die Franzosen rückten nun mit ihren Ansprüchen auf das Elsaß immer deutlicher hervor.

Bereits im Jahre 1658 hatte Ludwig XIV. unter dem Namen eines Conseil Souverain, einen obersten Gerichtshof gegründet, dessen Sitz zuerst in Ensisheim, später in Neu-Breisach und seit 1698 in Colmar war. Dieser Gerichtshof sollte eine Art Parlament bilden, wie die übrigen französischen Provinzen eines besassen, allein die anderen Parlamente waren mehr oder weniger unabhängig von der königlichen Gewalt; sie hatten bedeutende Vorrechte, während der Conseil Souverain lediglich die Interessen der Krone, nicht diejenigen des Landes vertheidigte, in einer Provinz, die eine eroberte war. Im Jahre 1680 errichtete Ludwig XIV. in Neu-Breisach und Metz sogenannte Reunionskammern, die bald ihre Thätigkeit entfalteten. Dieselben sollten durch Machtsprüche die königliche Macht im Lande befestigen und den Ansprüchen Ludwig XIV. auf größere oder kleinere Gebiete, die den Landesherren aus die willkührlichste Weise entrissen wurden, einen scheinbaren Grund verleihen. So entschied die Reunionskammer von Breisach, daß der Graf von Hauau-Lichtenberg, ungeschadet seiner landesherrlichen Rechte, dem König von Frankreich den Eid der Huldigung leisten sollte. Manche Fürsten, wie gerade die Hanauer Grafen, geriethen dadurch in die peinlichste Lage, denn weil sie zugleich deutsche Reichsstände waren, so wurden sie, im Falle eines Krieges zwischen beiden Mächten, von der einen wie von der andern mit Mißtrauen angesehen und mußten die Neutralität ergreifen, was auch wieder mißlich war.

In demselben Jahre 1680 ertheilte Ludwig XIV. den Befehl, das 1677 durch Créqui zerstörte Schloß Lichtenberg wieder aufzubauen und zu befestigen. Zugleich ließ er, am Fuße des Berges, an der Stelle wo einst das alte, gleichfalls zerstörte Dorf Lichtenberg gestanden hatte, ein Städtchen anlegen, das ebenfalls befestigt werden sollte. Jeder Ansiedler, der sich dort niederlassen würde, erhielt ein Geschenk von 120 Gulden. Die Absicht des Königs war, dort eine katholische Niederlassung, mitten im evangelischen Hanauer Lande, zu gründen. Da die Schloßkapelle zu Lichtenberg, wegen ihres schadhaften Zustandes abgebrochen und vergrößert werden mußte, so befahl der fränzösische Minister Louvois, unterm Datum vom 3. April 1680, daß die Leichname der in der lichtenbergischen Familiengruft ruhenden alten Herren nach Buchsweiler gebracht werden sollten, was durch den Amtmann von Lichtenberg auch geschah. Als die alte Bergveste wieder in gutem Vertheidigungszustande war, rückte in dieselbe eine französische Garnison ein.

Zu Ende Juni des Jahres 1683 besuchte der König von Frankreich die Stadt Buchsweiler. Er hatte bekanntlich zwei Jahre zuvor, den 30. September 1681, auf Anrathen Louvois', der die Capitulation der Stadt auf dem Wege der Ueberraschung in wenigen Stunden zu Stand gebracht hatte, sich in den Besitz Straßburgs, des Schlüssels des Unter-Elsasses, gesetzt. Bereits zu Anfang Octobers, war der berühmte Ingenieur Vauban in Straßburg eingetroffen und hatte den Bau der Citadelle begonnen. Dieselbe wurde rasch vollendet; sie sollte einerseits, dem Rhein zu, der Stadt zum Schutz dienen, anderseits aber deren Bürger im Zaume halten. Ludwig XIV. kam nun in's Elsaß, um die Bauten zu besichtigen. Er kam über Lützelstein, langte Abends in Buchsweiler an, wo er im Schloß übernachtete und setzte den andern Morgen, über Pfaffenhofen, seine Reise nach Straßburg fort. Von dort begab er sich in's Lager von Bouquenom (Saar-Union), woselbst eine große Anzahl Truppen vereinigt war. Den 1. Mai 1681 wurde, auf Verordnung Ludwig XIV. der durch den Papst Gregor XII., verbesserte Kalender, der sogenannte Gregorianische Kalender, im Hanauer Lande, so wie in ganzen übrigen Elsaß, an die Stelle des alten Julianischen eingeführt. Man war nämlich im Laufe der Jahrhunderte um 10 Tage zurückgekommen; dieselben wurden nun übersprungen, und statt des 20. April zählte man in jenem Jahre den 1. Mai. Den 31. Mai 1685 erließ Ludwig XIV. eine Verordnung, nach welcher künftighin in allen elsässischen Gemeinden, Kirchenbücher angelegt und das Protokoll sämmtlicher kirchlichen Handlungen von dem Ortspfarrer, nebst zwei Zeugen unterschrieben werden sollten.

Mittlerweile war, den 30. März 1685, Graf Friedrich Casimir, dessen Privatleben ein sehr abenteuerliches war, aus dieser Welt abgeschieden. Er hinterließ keine Kinder, aber zwei Neffen die noch beide unter Vormundschaft standen. Einige Jahre später, als dieselben mündig geworden waren, übernahm Philipp Reinhard die Regierung in Hanau-Münzenberg und Johann Reinhard III. in Hanau-Lichtenberg.

Unter des letzteren Regierung wurden die hanauischen Lande aufs Neue mit Krieg heimgesucht und kam dadurch viel Jammer und Elend in die verarmten Gegenden, die sich kaum von den Nachwehen des dreißigjährigen Krieges zu erholen angefangen hatten. Dieser Krieg, der dritte große, den Ludwig XIV. unternahm, hatte folgenden Ursprung: Des Königs Bruder, der Herzog von Orleans, Monsieur genannt, hatte zur Gemahlin die pfälzische Prinzessin Charlotte Elisabeth, eine gemüthvolle Fürstin und durchaus ehrliche und gerade Natur, welcher das Treiben am Versailler Hofe, das sie in ihren zahlreichen Briefen an die Verwandten in der deutschen Heimath schilderte, nicht sonderlich gefiel. Als sie sich verehelichte, hatte sie förmlich auf die pfälzische Erbschaft Verzicht geleistet. Kaum hatte aber ihr Bruder der Churfürst Karl, die Augen geschlossen, als Ludwig XIV. Ansprüche auf die Pfalz erhob und dieselbe für einen der jungen Prinzen von Orleans beanspruchte. Der deutsche Kaiser wies solches Ansinnen zurück und darauf erklärte ihm Ludwig XIV. den Krieg. In denselben wurden später noch die Niederlande, England und Spanien hineingezogen. Derselbe begann im September 1688, wo die Franzosen an den Rhein rückten und die starke Festung Philippsburg, im Badischen, einnahmen. Der Krieg dauerte 11 Jahre; das arme Elsaß litt viel unter demselben. Abwechselnd lagerten Kaiserliche und Franzosen im Lande und hausten gleich übel.

Besonders Anno 1692 - 1694 wurde das hanauische Gebiet schwer mitgenommen.

Die französische Armee, unter dem Befehl des Marschalls von Lorges, lagerte eine Zeitlang in der Umgegend von Buchsweiler. Den Regimentern folgten auf dem Fuße nach, Priester, die in den ganz evangelischen Dörfern ihr Bekehrungswerk anfingen. Schon seit dem Widerruf des Religionsedikts von Nantes, welches einst Heinrich IV. zu Gunsten der Reformirten in Frankreich erlassen hatte, und das Ludwig XIV. im October 1685 zurücknahm, war der König immer rücksichtsloser im Elsaß aufgetreten. Obwohl er, sowohl durch den Westphälischen, als durch die folgenden Friedensschlüsse, den Evangellschen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit zugesichert hatte, so erließ der Conseil Souverain d'Alsace, der geheime Instruktionen hatte, immer strengere Verordnungen gegen die Evangelischen. So sollten in jedem Orte, wo sieben katholische Familien lebten, die Katholiken in den Besitz des Chores und den Mitgebrauch der Kirche eintreten. Man umging aber das Gesetz, und sobald sieben Personen, oft nur Dienstleute und Taglöhner, in einem evangelischen Dorfe waren, so begehrten und erhielten sie das gemeinsame Kirchenrecht, oder wie man sagte das Simultaneum. Vom Jahre 1686 an begegnen wir im Elsaß auch vielen sog. Königspfarrern; so nannte man die katholischen Pfarrer, die eine sog. Königspfarrei, d. h. eine von Ludwig XIV. unter ganz evangelischen Bevölkerungen neugegründete und von ihm besoldete Pfarrei inne hatten.

Als nun auch mit den französischen Truppen katholische Feldprediger in's Elsaß kamen, da bemächtigten sich Angst und Schrecken aller Gemüther. Man dachte unwillkührlich an die berüchtigten Dragonaden in den Cevennen, wo Dragoner in die Häuser der Reformirten so lange im Quartier lagen, bis die Leute entweder völlig verarmt waren oder abgeschworen hatten. Man erzählte sich wie die Reformirten zur Messe gezwungen, die Kinder mit Gewalt den Eltern entrissen und in Klöster gesperrt worden waren, während die Männer auf den Galeeren und die Frauen im Gefängniß schmachteten. Noch lebte im Elsaß in frischem Angedenken das traurige Geschick des ehemaligen Straßburger Ammeisters Dominikus Dietrich. Nach der Kapitulation von Straßburg im Jahre 1681, suchte man nämlich die angesehensten Bürger der Stadt zum Abfall vom Glauben zu bewegen. Der Ammeister Dietrich war ein sehr einflußreicher Mann, darum wurden alle Mittel aufgeboten, um ihn zu gewinnen. Er erhielt im Jahre 1685 eine Einladung von Louvois an den Hof von Versailles zu kommen, um dem König seine Aufwartung zu machen. Dietrich reiste hin und brachte mehrere Monate in Paris zu, unter großen Quälereien und schweren Anfechtungen. Da empfing er eines Tages eine Einladung zu einer Abendunterhaltung am königlichen Hofe. Er begab sich nach Versailles, wo er im Schlosse eine zahlreiche Versammlung von vornehmen Herren und Damen vorfand. Mitten in der Unterredung entsteht plötzlich ein tiefes Stillschweigen; Louvois nimmt eine französische Bibel und reicht sie dem Straßburger Ammeister, mit der Bitte ihm die Stelle, die er ihm vorzeigt, mit lauter und vernehmlicher Stimme vorzulesen. Mit banger Ahnung ergreift Dietrich das Bibelbuch und liest die Stelle. Es waren der 17. und 18. Vers aus dem 2. Kapitel des 1. Makkabäerbuches, die also lauteten: 17) Und die Hauptleute Antiochi sprachen zu Mathathia: Du bist der Fürnehmste und Gewaltigste in dieser stadt, und hast viel söhne und eine grosse Freundschaft. 18) Darum tritt erstlich dahin und thue was der König geboten hat, wie alle Länder gethan haben und die Leute Juda, so noch zu Jerusalem sind, so wirst du und deine söhne einen gnädigen König haben und begabet werden mit Gold und silber und grossen Gaben. Als Dietrich die Stelle gelesen hatte, hielt er ein wenig inne. Aller Augen ruhten auf ihm. Er aber, ohne sich dadurch stören zu lassen, fuhr mit kräftiger Stimme fort und las noch die drei folgenden Verse, die also lauten: 19) Da sprach Mathathias frey heraus: Wenn schon alle Länder Antiocho gehorsam wären, und jedermann abfiele von seiner Vätter Gesetz, und willigten in des Königs Gebot. 20) So wollen doch ich und meine Söhne und Brüder nicht vom Gesetz unserer Vätter abfallen. 21) Da sey Gott für, das wäre uns nicht gut, dass wir von Gottes Wort und Gottes Gesetz abfielen. Als Dietrich geendet, lagerte sich ein Todesschweigen auf der ganzen hohen Versammlung. Der König stand mit allen Zeichen des Unwillens auf, und verließ den Saal, ohne den Ammeister eines Blickes zu würdigen. Louvois war außer sich. Am andern Tage bekam Dietrich den Befehl sich in das Innere Frankreichs, nach dem Städtlein Guéret, zu begeben, wo er seine Tage einsam und verlassen in der Verbannung zubrachte. Erst nach einigen Jahren, auf die Fürbitte hoher und einflußreicher, selbst fürstlicher Personen, erlangte er die Erlaubniß, in seine Vaterstadt zurückkehren zu dürfen. Er starb dort, als ein gebrochener Mann, den 9. März 1694.

Das Alles erzählte man sich mit innerlichem Zittern in den hanauischen Dörfern, als die Franzosen und mit ihnen die katholischen Missionare einrückten. Doch letztere richteten wenig aus und hatten im Lande kein langes Bleiben, denn das Kriegsglück war wechselnd und Bekehrungsversuche konnten wohl angefangen, nicht aber ausgeführt werden. Um so empfindlicher litt der Landmann unter den Drangsalen des Krieges; die Noth und das Elend erreichten einen hohen Grad; Alles aber litt der hanauische Unterthan geduldig und ohne Murren, glücklich das edle Kleinod des Glaubens behalten zu dürfen.

Endlich wurde der Friede zu Ryswick, in den Niederlanden, October 1697, geschlossen. Laut demselben behielt Ludwig XIV. den ruhigen Besitz des Elsasses, mußte aber viele andere seiner Eroberungen herausgeben. Groß war die Freude im ganzen Hanauer Lande, daß nun wieder Friede sei. Im Februar des Jahres 1698 wurde in der Haupt- und Residenzstadt Buchsweiler ein Freudenfest mit Musik, Tedeum, Feuerwerk und festlichen Mahlzeiten gehalten. Der regierende Graf war abwesend, allein der Amtmann mußte, auf Antrieb des französischen Schultheißen der ihm zur Seite gestellt war, Alles aufbieten, um das Fest glänzend zu machen. Trotz alledem konnte ein Zeitgenosse schreiben:

Es war bey dem gantzen Werk keine rechte Freud zu verspüren. Das war auch begreiflich, denn der Ryswicker Friedensschluß enthielt im vierten Artikel eine Clausel, welche die Herzen aller Evangelischen mit Furcht und Besorgniß erfüllte, denn derselbe enthielt die Bestimmung, daß die Katholiken alle die Rechte, Kirchengüter, Gefälle, Simultankirchen u. s. w., die sie sich, wider alles bestehende Landrecht, seit dem Westphälischen Frieden angeeignet hatten, behalten dürften. Das war von keiner guten Vorbedeutung für die Zukunft. Auch fiel es um jene Zeit vor, daß die meisten hanauischen Dörfer aus dem Stab Offendorf, wie Drusenheim, Herrlisheim u. a., katholisch wurden.

Im Jahre 1701, kurz vor dem Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges, erkannte jedoch Ludwig XIV. alle herrschaftlichen Rechte der Grafen von Hanau in ihren elsässischen Besitzungen unter dem Vorbehalt der französischen Oberhoheit an. In demselben Jahre sicherte auch der König der Stadt Buchsweiler das Recht der übrigen elsässischen Residenzstädte zu, von Einquartierungen verschont zu bleiben.

Der Friede von Ryswick hatte keinen langen Bestand. Die unersättliche Ländergier und die Herrschsucht Ludwigs XIV. entzündete einen neuen Krieg, der ganz Europa in Flammen setzte und Frankreich an den Rand des Verderbens brachte. Es war dies der spanische Erbfolgekrieg, der 13 Jahre lang, von 1701 - 1714, währte. Schon bei dem Pyrenäischen Frieden, der zwischen Frankreich und Spanien, 1659, geschlossen wurde, war der Gedanke einer Vereinigung beider Kronen unter einem französischen Oberhaupte, bei dem Minister, der die Geschicke Frankreichs damals leitete (dem Kardinal von Marzarin), entstanden. Dieser Plan fand vorderhand darin seinen Ausdruck, daß der junge König von Frankreich eine spanische Prinzessin, Maria Theresia, heirathete. Wohl leistete dieselbe vor ihrer Vermählung förmlich Verzicht auf alle ihre Rechte in Spanien, aber man wußte wie wenig Ludwig XIV. sich, selbst durch die feierlichsten Verträge, für gebunden erachtete. Noch zu Lebzeiten des schwachen spanischen Königs Karls II., der kinderlos starb, wurde von den europäischen Höfen die spanische Erbfolge besprochen und darüber zu Versailles, London, Wien und Madrid verhandelt.

Man war noch nicht einig geworden, weil man wußte, daß Karl II. gerne einen österreichischen Erzherzog zum Nachfolger gehabt hätte. Da erscholl plötzlich die Kunde, der König von Spanien sei den 1. November 1700 gestorben und habe ein Testament hinterlassen, durch welches er als Thronfolger den Enkel Ludwig's XIV., Philipp, Herzog von Anjou eingesetzt habe. Augenblicklich erkannte der König von Frankreich seinen Enkel an; Philipp zog mit einer französischen Armee über die Pyrenäen, nach Madrid ein; die überraschten Spanier fügten sich anfänglich und die meisten Mächte erhoben zuerst, Angesichts der vollendeten Thatsache, keinen Widerspruch. Kaiser Leopold aber, der als Habsburger nähere Ansprüche auf die spanische Krone hatte, widersetzte sich und erklärte das Testament für erschlichen. Er rüstete auch sofort und fiel in's Mailändische ein, das dazumalen eine spanische Besitzung war. So entstand zwischen Frankreich und Deutschland ein neuer Krieg, der unter dem Namen des spanischen Successions- oder Erbfolgekriegs bekannt ist, in welchem nach und nach auch die übrigen europäischen Mächte verwickelt wurden. In demselben standen sich die berühmtesten Feldherren der damaligen Zeit, Prinz Eugen von Savoyen (Prinz Eugen, der edle Ritter), der sich in den Türkenkriegen bei Belgrad und Peterwardein mit Ruhm bedeckt hatte, der englische Herzog Marlborough und der französsiche Marschall von Villars gegenüber. Dieser Krieg, in dessen Einzelheiten wir hier nicht eingehen können, war für Frankreichs Waffen unglücklich. Die Alliirten standen nahe daran in Paris einzuziehen; die Noth in Frankreich war so groß, daß Ludwig XIV. all' sein Silbergeschirr in die königl. Münze schickte, um daraus Geld prägen zu lassen.

Auch das Elsaß und insonderheit das hanauische Land litt viel während diesem Kriege, in welchem Freund wie Feind gleich rücksichtslos auftraten. Nicht nur hausten die Soldaten übel, sondern es ging auch nach dem alten Spruch: Der Krieg bessert die Menschen nicht. Auch Theuerung und Mißwuchs traten ein. Der Erzherzog Joseph, Kaiser Leopolds "ältester" Sohn, eroberte, den 10. September 1702, die Festungen Landau(1) und Lauterburg, und beunruhigte von dort aus das ganze untere Elsaß. In demselben Jahre hatte ein schweres Hagelwetter großen Schaden in vielen hanauischen Gemeinden angerichtet. Das General-Consistorium von Buchsweiler verordnete, zum Andenken daran, einen jährlichen Buß- und Bettag(2) zu halten. Zu Anfang des Jahres 1703 streifte eine Abtheilung ungarischer Husaren, vom Regiment Loosen, von Lauterburg bis vor die Thore von Zabern. Das bekam ihnen aber übel, denn eine kleine Schaar von Freiwilligen überfiel sie auf dem Kreuzfeld, unweit der Stadt, tödtete ihnen einige Mann, schlug sie in die Flucht und nahm ihnen ihre Beute ab. Dieser Ueberfall blieb im Volksmund unter dem Namen des "Husarenlärms", in lebhaftem Andenken.

Im Jahre 1709 herrschte eine grausame Kälte, die lange anhielt und vielen Schaden anrichtete. Den Leuten erfroren auf der Landstraße Nase und Ohren, die Vögel fielen Haufenweise todt zu Boden, das Wild kam aus den Waldungen heraus und sank entkräftet vor den Häusern nieder. Dieser Winter war der kälteste im achtzehnten Jahrhundert.

Das Jahr 1710 brachte eine schlechte Ernte, und in Folge davon, eine große Theuerung in's HanauerLand. Auch Anno 1712 geriethen Weizen und Korn nicht und war theuere Zeit und Pestilenz. Das Jahr darauf erfroren im Frühjahr die Reben; es gab keinen Wein; die Lebensmittel waren theuer und das Geld selten.

1.) "Fest wie Landau" ist eine alte sprichwörtliche Redensart im Elsaß.
2.) Mit geringer Ausnahme (Reichenweyer und das Münsterthal, sowie das reformirte Mülhausen) wird im Elsaß in der lutherischen Kirche kein Buß- und Bettag mehr gehalten. Und doch wäre ein solcher in unserer Zeit gewiß so nöthig wie vormals.

Endlich, nach 13 Jahren, unterzeichnete Ludwig XIV. mit dem Kaiser zu Rastatt (Mai 1714) und mit dem deutschen Reich zu Baden (Sept. 1714) den Frieden. Dadurch wurde dem Blutvergießen gesteuert und das Elsaß athmete langsam wieder auf.

Es folgte nun eine lange und glückliche Friedensperiode, in welcher sich das Land von den Wunden, die ihm der Krieg geschlagen hatte, allmälig wieder erholte. Der edle hanauische Graf, der damals regierte, Johann Reinhard III., war einer der weisesten und wohlwollendsten Fürsten seiner Zeit, der sein Ländchen bald wieder in besten Flor brachte. Er suchte die Lasten seiner Unterthanen zu erleichtern und nach Kräften ihr leibliches und geistliches Wohl zu fördern. Er wurde in seinen Bestrebungen auf's Beste durch seine edle Gemahlin, Dorothea Friederika, unterstützt. Dieselbe war eine sehr gebildete, feinfühlende und gefühlvolle Dame, die sich durch ihre Herzensgüte und ihre Wohlthätigkeit auszeichnete.

Der Bruder Johann Reinhards, Philipp Reinhard, Graf von Hanau-Münzenberg, starb kinderlos den 4. October 1712, und somit fiel das reiche Münzenbergische Erbe an Hanau-Lichtenberg zurück. Johann Reinhard hatte nur eine Tochter, Charlotte Christina Magdalena Johanna, die den 2. Mai 1700 im Schlosse zu Buchsweiler geboren wurde. Sie vermählte sich in ihrem siebzehnten Jahre mit dem Erbprinzen von Hessen-Darmstadt, dem nachmaligen Landgrafen Ludwig VIII. und wurde dadurch die Stammmutter des großherzoglich-hessischen Regentenhauses. Die Vermählung fand den 5. April 1717 zu Buchsweiler, unter großen Feierlichkeiten und herzlichen Freudenbezeugungen, Seitens der Bürgerschaft und des hanauischen Landvolkes, statt.

In demselben Jahre, wenige Wochen nach diesem fröhlichen Familienereigniß, erkaufte Johann Reinhard vom Erzbischof von Mainz Lothar Franz, dessen Lehensrechte auf das Amt Brumath, das vormals ein mainzisches Lehen war, um 25.000 Gulden ab. Ludwig XV. bestätigte, 1718, diesen Ankauf. Drei Jahre darauf, 1720, legte Johann Reinhard den Grundstein zum neuen Schlosse von Brumath. Man baute 8 Jahre daran; Anno 1728 ward es vollendet. Es diente später der Prinzessin Christina von Sachsen, der Tante Ludwigs XVI. die Aebtissin des adeligen Frauenstifts von Remiremont war, zur Residenz. Diese Prinzessin starb daselbst im Jahre 1781.

Auch das Schloß von Buchsweiler verschönerte Graf Johann Reinhard. Früher sah dasselbe finster und alterthümlich aus. Allein es wurde bedeutend verändert und gewann allmälig das Aussehen eines fürstlichen Residenzschlosses. Besonders die Gartenanlagen wurden aufs Geschmackvollste eingerichtet; es befanden sich in demselben eine Orangerie, Springbrunnen, Felsengrotten u. s. w. Zunächst am Schlosse, um welches sich ringsum ein breiter Graben zog (vorn der Wappacher Graben, hinten der Hirschgraben) über den zwei Zugbrücken führten (am Ende der Herrengasse und der Gasse des Wappacher Bächleins), befand sich der sog. Fasanengarten, der von der Fasanerie bei Riedheim zu unterscheiden ist. Im Fasanengarten befanden sich seltene, in der Fasanerie hingegen gewöhnliche Fasanen; hinter dem Fasanengarten zogen sich die schönen Alleen des alten Herrengartens bis in die Nähe des Holzhofes hin. In demselben waren steinerne Bildsäulen ausgestellt und rauschten Wasserfälle und Cascaden von kleinen Felsen, inmitten von grünen, wohlduftenden Gebüschen. Hinter dem Herrengarten zog sich der Hirschgraben hin, in welchem edle Hirsche und Rehe in aller Freiheit weideten. Dann kam der Küchengarten, der sich bis in die Nähe des sog. Neuen Baues hinzog, und auf der entgegengesetzten Seite, gegen der Straßburger Straße hin, dehnte sich der eigentliche Schloßgarten aus. Es waren sehr bedeutende Anlagen, welche die blühende und wirklich reizende Umgebung des alten Buchsweiler Schlosses bildeten. Die Grafen von Hanau und die nachherigen Landgrafen von Hessen nahmen gewöhnlich ihren Sommeraufenthalt im Schlosse von Buchsweiler, und das Volk nannte es in seiner Bewunderung nur das kleine Versailles(1). In der Nähe von Buchsweiler, gegen dem Gebirge zu, in der Richtung von Weitersweiler, besaßen die Grafen von Hanau einen großen Wald, in welchem edles Wildpret gehegt wurde und in welchem die Grafen des edlen Waidwerks pflegten. Es war dies der sog. Thiergarten. In einem kleinen Vogesenthale, hinter dem Schlosse Herrenstein, besaßen die Grafen auch ein Gestüte, den sog. Füllengarten, den Graf Johann Reinhard anlegte. Von all' dieser alten Herrlichkeit sind heutzutage nur noch geringe Spuren vorhanden!

Neben dem Schlosse von Buchsweiler, ließ Johann Reinhard auch noch das Schloß von Bischofsheim, jenseits Rheins, wo er das Licht der Welt erblickt hatte, bedeutend verschönern.

Im Jahre 1726, den 1.Juli, starb in der Blüthe ihrer Jahre, nach neunjährigem glücklichen Ehestande, Johann Reinhards einzige Tochter, die Erbprinzessin von Hessen und hinterlies sechs unmündige Kinder. Dieser Verlust beugte den Grafen von Hanau sehr darnieder; er verfaßte im nächsten Jahre ein Testament, dessen Bestimmungen der König von Frankreich anerkannte, durch welches dem hessisch-darmstädtischen Hause seine elsässischen Besitzungen einst zufallen sollten.

Im März 1731 starb auch die Gräfin von Hanau und nun stand Johann Reinhard einsam und verwaist im Alter da. Er widmete seine letzten Lebensjahre dem Wohle seines Volkes, das er von Herzen liebte, und das mit liebevoller Anhänglichkeit und Verehrung zu seinem leutseligen Herrn emporblickte. Fünf Jahre später, den 28. März 1786, folgte Johann Reinhard III., der letzte seines Stammes, seinen Lieben in die Ewigkeit. Nach seinem Tode gelangte die Grafschaft Hanau-Münzenberg, nach der Uebereinkunft vom Jahre 1643, an Hessen-Cassel, das elsässische und badische Gebiet der Grafschaft Hanau-Lichtenberg hingegen an Hessen-Darmstadt.

1.) Es existirt vom alten Schloß von Buchsweiler noch eine gemalte Abbildung, die sich noch hie und da vorfindet. Auch Hanke in seinen Ansichten der Stadt Buchsweiler und Umgebungem gibt davon ein Bild.

Das Andenken an den wohlwollenden und frommen Grafen Johann Reinhard, der ein wahrer Landesvater für sein Volk war, blieb noch lange im Hanauer Lande in freundlicher Erinnerung und in manchem Greisenauge zitterte eine Thräne der Wehmuth, wenn die Rede war von dem "guten, alten Herrn".

Deutschlands großer Dichter, Wolfgang von Göthe, als er in den Jahren 1770 und 1771 im schönen Elsaß sich aufhielt, erzählt in seiner Lebensbeschreibung, Wahrheit und Dichtung betitelt, wie tief es ihn, bei einer Reise nach Buchsweiler und der umliegenden Gegend, ergriffen habe, als er allüberall, in den hanauischen Orten, wo er mit seinen beiden Reisebegleitern, Weyland und Engelbach, hinkam, das Lob des letzten Grafen von Hanau habe ertönen hören. Das Andenken des guten alten Grafen von Hanau, Johann Reinhard III., bleibe daher im Segen unter allen Bewohnern des alten Hanauer Landes!

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