Chronik der ehemaligen Reichsstadt Offenburg in Josef Bader - Badenia II - Karlsruhe 1842, S. 1 ff.

offenburgHeiter und traulich, wie das zäringische Freiburg an der Dreisam, wo sie das Gebirge verläßt, im Herzen des Breisgaues, so ruht seine Schwesterstadt Offenburg an der Kinzig, im Schoose der Ortenau. Auf etwas erhöhtem Ufer gelegen und zunächst von einer blühenden Ebene umschlossen, hat sie in einer geringen Entfernung links die zerstreuten Parthien des alten Gotteswaldes, und rechts die weinreichen Vorhügel des ortenauischen Schwarzwaldes, aus denen die Kinzig durch ein breites, herrliches Thal, vorbei die Thürme von Ortenberg, in die Fläche hervorrauscht. Vermehrt wird aber die Gunst dieser Lage noch durch die Berg- und Kinzigthaler Straße, welche sich hier durchschneiden und dem Orte ein Komerzleben verleihen, dessen Regsamkeit mit dem Segen und Flore der Umgegend erfreulich wetteifert.

Der Wanderer, wenn er die Thürme und Giebel der Stadt aus der Ferne erblickt, nähert sich gerne und betritt mit einem wohlthuenden Vorgefühl ihre Mauern, wo alterthümliche Wohnungen in gastlicher Bescheidenheit, und moderne in freundlichem Glanze sich friedlich an einander reihen. Und so findet er auch ihre Bewohner als ein offenes, munteres und geselliges Volk, welches sich gerne daran erinnert, daß seine Heimath eine freie Stadt des Reiches war, und den biedern Charakter seiner Väter noch vielfach erhalten hat.

Freilich hätten die Offenburger wenig Ursache, sich ihrer Vorzeit zu erfreuen - ihre historischen Erinnerungen sind meist nur traurige! Den Ruhm jedoch haben sie bei all' ihrem Unglücke bewahrt, daß sie es weder feig noch unachtsam über sich ergehen ließen, sondern nur der Gewalt von Umständen gewichen sind, welchen in ihrer Stellung nicht zu widerstehen war. Es kann daher nicht ohne Interesse seyn, einen Blick auf die Schicksale Offenburgs zu werfen, und einige Bemerkungen daran zu knüpfen, welche den Gang derselben erläutern. Wir thun dieses durch die kommentirte Mittheilung der Arbeit eines Gelehrten aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts(1), dessen einfacher und urkundlich getreuer Erzählung man gerne folgt.

Offenburg, die Hauptstadt des Horten-Gaues(2) und der Mittelpunkt desselben, hat seinen Namen von Offo, einem englischen Prinzen, welcher seine Heimath verlassen hatte, um in den Ländern der Heiden das Evangelium zu verkündigen. Dieser Offo erbaute sich hier, beiläufig um das Jahr sechsbundert unserer Zeitrechnnng, ein Schloß, allwo er auch bis zu Ende seines Lebens wohnte; nach seinem Absterben aber wurde sein Leichnam zu Schuttern begraben(3).

Es ist zwar heut zu Tage nicht mehr bekannt, auf welchem Plaze das offonische Schloß gestanden; doch ist es gewiß, daß im Jahre neunhundert sechs und zwanzig Berthold, Graf im Breisgau und Hortengau, zu Kinzdorf(4) öffentlich Gericht gehalten habe, daher auch wahrscheinlich, daß dieser Ort der ordentliche Sitz der hortengauischen Grafen gewesen seye. Offo aber, weil er die Grafschaft mit mehreren Vorrechten erhalten, hat sich auch eine herrlichere Wohnung erbaut und zugleich eine Stadt angelegt, mit welcher nachher Kinzdofs vereiniget worden, was leichtlich in dem zwölften oder dreizehnten Jahrhundert geschehen seyn mag. Daß aber Offo die Provinz Hortenau mit mehrerer Herrlichkeit erhalten und inne gehabt, erhellet daraus, weil er hier sein eigen Geld von feinem Silber gemünzt hat, dessen Gepräge das Bildniß eines Engels vorstellte, der mit beiden Händen ein Kreuz trägt. Von solcher Münze wurde im Jahre fünfzehnhundert sechs und zwanzig, als das Frauenkloster Sankt Klara zu Straßburg zerstöret worden, eine große Anzahl aus der Erde gegraben, welche Stücke man gewöhnlich "Engländer" oder "Altoffenburger" genennet(5).

Aus Abgang der Urkunden ist zwar von ältern Zeiten her nicht bekannt, was mancherlei Schicksalen und Umständen Offenburg ausgesetzt gewesen, doch ist sich's wohl einzubilden, daß zu Zeiten der hunnischen Verwüstung, da ganz Alemannien und Elsaß mit Feuer und Schwert verherget worden, diese Stadt eben auch großen Gewalt und Schaden werde erlitten haben; wie ebenfalls zu glauben ist, es werden ihr die elsäßischen und hortengauischen Kriege wenig Nutzen geschafft haben. Doch wurde Offenburg niemalen gänzlich zerstöret, bis im Jahre sechszehnhundert acht und achtzig, da es durch die Franzosen unter dem grausamen Melak in einen Stein- und Aschenhaufen verwandelt worden.

Offenburg ist eine kaiserliche freie Reichsstadt; um welche Zeit aber und von welchem Kaiser sie ihre Reichsfreiheit erhalten, ist nicht bekannt, jedoch glaublich, daß solches zur Zeit der großen Reichsfeier(6) geschehen, indem schon im Jahre tausend zweihundert und achtzig Schultheiß und Bürgerschaft zu Offenburg die Franziskaner Konventualen aufgenommen, ohne eine Herrschaft zu begrüßen oder ihre Beistimmung zu begehren(7).

Nach der Absezung Kaiser Friedrich des Zweiten waren die Reichsstände in der Wahl eines Nachfolgers nicht einig, indem einige seinem Sohne Konrad, andere aber dem Landgrafen Heinrich Raspe von Thüringen anhingen. Offenburg hielt es mit Konrad, Heinrich von Stahlek, Bischof zu Straßburg, aber war auf Seiten Heinrichs, und suchte jede Parthie der andern zu schaden, wie sie konnte. Der Bischof belagerte und verhergete alle festen Pläze im Elsaß, die es mit Konrad hielten, und diesseits des Rheines nahm er Offenburg, Ortenberg, Gengenbach, Zell, Hausach und das ganze Kinzinger Thal in seine Gewalt(8). Auf solche Art ist Offenburg damalen um seine Freiheit kommen und geraume Zeit den Bischöfen von Straßburg unterthan verblieben. Nichts desto weniger wußte sich die Stadt in folgenden Jahren dem bischöflichen Gehorsam wieder zn entziehen und ihre vorige Freiheit unter dem Schuze kaiserlicher Landvögte zu behaupten, wie dann im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts der Schultheiß, der Rath und die Gemeinde der Bürger "mit Willen und Zuthun des Reichsvogtes zu Ortenberg" den städtischen Spital gestiftet haben(9).

Als aber nach Absterben Heinrich des Siebenten von einigen Fürsten Ludwig der Baier, von andern Friedrich der Oestreicher erwählet worden, hielte es Bischof Berthold von Straßburg mit dem letztern, während der erstere die Grafen von Wirtemberg, von Oettingen und andere benachbarte Herren auf seiner Seiten hatte. Zu eben dieser Zeit waren aber der Bischof und die Straßburger mit den Herren von Geroldsek in Krieg verwickelt. Während das geroldsekische Schloß Schwanau erobert und geschleift und die geroldsekischen Güter diesseits des Rheines verwüstet worden, hat der Bischof hinwiederum die wirtembergischen und öttingischen durch Feuer und Raub verherget. Solchem Unfuge abzuhelfen, wendeten sich die Grafen an den Kaiser Ludwig, welcher sich auch ihrer annahm und von dem Bischof verlangte, er solle die Lehen von ihm empfangen. Der Bischof aber hielte sich hartnäkig an die östreichische Parthei, verstärkte seine Macht mit Hülfe des Herzogs von Lothringen und Bischofs von Metz, stellte sich dann gegen den drohenden Kaiser zur Wehre, fuhr fort die wirtembergischen Besizungen zu verhergen, und hatte vor, auch die Reichsstädte Offenburg und Gengenbach zu belagern, welche Ludwig sammt der übrigen Landvogtei schon im Jahre dreizehnhundert vier und dreißig an Markgraf Rudolf von Baden versezt hatte. Allein, weilen er wegen üblem Wetter keine lothringische Hilfe haben konnte, unterließ er die Belagerung, und verlegte hernach die später angekommenen Hilfsvölker nach Renchen und Oberkirch, von wo aus dieselben besagten Reichstädten großen Schaden gethan(10).

Nachdem Kaiser Ludwig die Landvogtei Ortenau an das Haus Baden verpfändet(11), hat Kaiser Karl der Sechste diese Pfandschaft bestätigt, worauf der Markgraf einige Oberherrlichkeit über die ortenauischen Reichsstädte zu gewinnen suchte, welches ihm auch in soweit gelungen, daß er ihren Rath ernannt, die Rathsherren gesezt und die Zünfte geordnet. Als aber bald hernach Kaiser Karl seinen Sinn änderte, hat er dem Markgrafen die Landvogtei wieder abgenommen und solche dem Bischof Berthold von Buchek zu Straßburg überlassen, welchem auch wirklich im Jahre dreizehnhundert ein und fünfzig die Städte Offenburg, Gengenbach und Zell den Eid der Treue abgelegt, die Reichsstände aber sothane Einlösung nach und nach bestätiget haben(12).

Es hatte zwar damalen der Kaiser dem Bischofe auch das Privilegium ertheilet, daß außer dem Reichsoberhaupte Niemand befugt seyn solle, die ortenauische Landvogtei einzulösen; gleichwohlen aber erlaubte er später dem Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz, solches mit Offenburg, Gengenbach und Zell zu thun, welchem sich der Bischof jedoch so kräftig widersezte, daß es diesmal unterbleiben mußte. Da Offenburg aber während diesen Händeln durch bischöfliche Kränkungen manchen Schaden an seiner Freiheit zu erleiden hatte, erneuerte und bekräftigte Kaiser Karl im Jahre dreizehnhundert sieben und sechzig der Stadt alle ihre Rechte und Privilegien(13), und bald hernach wurde Bischof Wilhelm von Dietsch durch seine Zänkereien mit der Stadt Straßburg und der Geistlichkeit seines Sprengels so in die Enge getrieben, daß er sich genöthiget sah, die Halbscheid der ortenauischen Pfandschaft an Ruprecht abzutreten, der inzwischen Kaiser geworden, um dessen Neigung zu gewinnen. Ruprecht aber überließ die Einlösung an seinen Sohn Ludwig den Bärtigen von der Pfalz, welchem hierauf im Jahre tausend vierhundert und neun die ortenauischen Städte gehuldiget haben(14).

Dieser Fürst machte eine feierliche Verordnung, kraft welcher der pfälzische Antheil der Landvogtei Ortenau dem ältesten des Hauses zufallen und mit der Kurwürde vereiniget bleiben solle. Dem gemäß haben die Städte im Jahre vierzehnhundert sieben und dreißig wiederum den gewöhnlichen Huldigungseid an Ludwig abgelegt und Friedrich der Siegreiche seinem Testamentdie gleiche Verordnung einverleibt(15). Auf solche Art hatte Offenburg zwei Schuzherren, den Kurfürsten von der Pfalz und den Bischof von Straßburg. Daher suchte der erstere schon im Jahre vierzehnhundert sieben und dreißig den bischöflichen Antheil mit dem seinigen zu vereinigen, brachte es auch dahin, daß Kaiser Siegmund dem Bischof und Domkapitel befahl, ihre Hälfte an Herzog Otto von Mosbach, den jüngsten Sohn Kaiser Ruprechts, gegen Erlegung des Pfandschillings abzutreten. Es wurde aber dieser Befehl nicht vollzogen, indem die Städte dem Bischof Konrad von Bußnang die Huldigung geleistet haben(16).

Im Jahre vierzehnhundert drei und fünfzig hat Kaiser Friedrich der Dritte seinem Schwager, Markgraf Karl von Baden, die Erlaubniß gegeben, den straßburgischen Antheil der Ortenau einzulösen, und war ebenmäßig Willens, ihm auch den pfälzischen einzuhändigen, daher er im Jahre vierzehnhundert zwei und sechzig ein Schreiben an die ortenauischen Städte ergehen lassen, daß sie künftig den Markgrafen als Schuzherrn erkennen sollten(17). Da aber sowohl der Bischof, als der Kurfürst sich solchem Anschlage widersezten, ward aus der ganzen Sache nichts, und haben die Städte hierauf dem Kurfürsten, wie dem Bischofe gehuldiget, wogegen der leztere sich bei einem Eide verbinden mußte, sie in ihren Freiheiten und hergebrachten Gewohnheiten ungestöret zu belassen.

Als sofort, nach Absterben Kurfürst Friedrich des Siegreichen, Pfalzgraf Philipp, der Enkel weiland Ludwig des Bärtigen, seine ihm bisher administrirten Lande erhalten, und bald hernach wegen der Erbfolge Herzog Georg des Reichen von Oberbaiern in Krieg verwickelt worden, und sich nicht an die Entscheidung Kaisers Maximilian kehren wollte, ist er diesertwegen in die Reichsacht und aller seiner Lande verlustig erklärt worden, folglich auch seiner ortenauischen Lehen und Pfandschaften, nämlich der Grafschaft Geroldsek mit den Kastvogteien zu Schuttern und Ettenheimmünster, und der Landvogtei Ortenau mit den Städten Offenburg, Gengenbach und Zell. Es hat auch der Kaiser diese Besizungen im Jahre tausend fünfhundert und vier ohne einigen Schwertstreich eingenommen und besezt(18).

Maximilian kam selbsten in die Ortenau und behielte sich den pfälzischen Antheil, wie auch die geroldsekischen Güter vor, während er dem Bischof von Straßburg seinen Antheil wiederum überließ und bestätigte. Da aber Maximilian für unanständig hielte, diese Reichsgüter seinem Hause einzuverleiben, so hat er die Landvogtei, wegen treu geleisteter Dienste und für vierundzwanzig tausend Gulden Guthabens, dem Grafen Wolfgang von Fürstenberg pfandweis überlassen, vorbehaltlich des Zugrechtes, der Bergwerke und einiger anderer Herrlichkeiten. Auf solche Weise erhielten Offenburg, Gengenbach und Zell abermalen zwei Schuzherren. Der Kaiser aber hat ihnen nicht allein ihre Freiheiten erneuert nnd bestätiget, sondern auch vermehret(19).

Nachdem aber im Jahre fünfzehnhundert und fünfzig Kaiser Ferdinand denen Grafen Von Fürstenberg ihren Theil an der Ortenau ausgelöset, und Bischof Erasmus auch den straßburgischen Antheil an den Kaiser abgetreten, sind Offenburg, Gengenbach und Zell jeder Zeit als freie Reichsstädte unter östreichischem Schuze gestanden bis zum Beginne des vorigen Jahrhunderts(20), da Kaiser Leopold die Landvogtei Ortenau dem Markgrafen Ludwig von Baden wegen treu geleisteter Dienste als ein Lehen für sich und seine männlichen Sprößlinge überlassen. Da indessen bei Abgang des letzten Markgrafen von Baden-Baden die Landvogtei wiederum an dan Erzhaus zurückgefallen, so kamen auch die drei Städte wiederum unter östreichischen Schuz zu stehen, ohnbeschadet jedoch ihrer Rechte, Freiheiten und Herkommen.

Um diese Rechte und Freiheiten zu schüzen, waren Offenburg, Gengenbach und Zell schon vor längern Zeiten mit einander in ein Bündniß getreten, welches Offenburg im Jahre tausend sechshundert und vierzehn wieder zu erneuern suchte(21), und sich deswegen den Beistand der vorderöstreichischen Regierung zu Innsbruk erbeten hatte; allein die verbundenen Städte konnten bei damaligen unruhigen Läufen die einander versprochene Hilfe nicht leisten.

Nachdem hierauf der dreißigjährige Krieg ausgebrochen und die Schweden beinahe ganz Deutschland durch ihre Waffen und Verbindungen mit denen protestantischen Fürsten verhergeten, haben sie auch im Augustmonat sechszehnhundert zwei und dreißig die nicht gering befestigte Stadt Offenburg eingeschlossen und belagert. Vier Wochen hielte dieselbe die Belagerung tapfer aus, da aber weder die benachbarten Städte, noch die kaiserlichen Völker konnten zu Hilfe kommen, hat sie sich durch Kapitulation an den Feind ergeben. Drei Jahre lang hatten die Schweden sofort Offenburg im Besize, bis es die Kaiserlichen wieder einnahmen und in Freiheit sezten.

Als aber im Jahr sechszehnhunbert fünf und dreißig sich Frankreich mit den Schweden verbunden, nahmen die vereinigten französich-schwedischen Völker die ganze Ortenau hinweg; die Gegend von Offenburg wurde besezt und jeder Zugang der Stadt so unsicher gemacht, daß Niemand sich außer die Mauern wagen durfte - die Väter Kapuziner allein, welche eben ihr Kloster erbauten, hatten die Erlaubniß, mit zwei Ochsen und zwei Knechten die nöthigen Baumaterialien herbeizuführen. Doch sind endlich auch diese Ochsen ein Raub des Feindes geworden.

Fünf solcher Einschließungen hatte Offenburg in kurzer Zeit durch den schwedischen General Herzog Bernhard von Weimar zu erfahren, und wurde verschiedene Mal mit Stücken und Bomben beschossen; ja, der französische General Condè war schon Willens, die Stadt enger einzuschließen und sie zu schleifen, als der kaiserliche General Schildehas eben noch zu rechter Zeit mit seinen Truppen anrückte, die Belagerer schlug, die benachbarten Ortschaften besezte und die Stadt befreite. Dieses war die lezte schwedische Belagerung; aber im Jahre sechshundert fünf und vierzig kam zu dem bisher erlittenen Schaden noch das Unglück, daß die ganze der Stadt gehörige Ernte durch feindliches Kriegsvolk verherget worden, woraus ein großer Mangel an Lebensmitteln, vieles Elend und beinahe eine Hungersnoth entstanden ist.

Der schädlichste Umstand für Offenburg war die Nachbarschaft der französischen Kriege im Elsaß und Lothringen unter König Ludwig dem Vierzehnten. Denn im Jahre sechszehnhundert acht und siebzig wurde der Stadt mit einer harten Belagerung, ja mit gänzlicher Zerstörung durch den General Crequi gedroht, welcher gemachte Anschlag durch den eilends über den Schwarzwald mit auserlesener Mannschaft anrückenden Herzog von Lothringen noch glücklich vereitelt worden. Endlich aber war das Jahr neun und achtzig das aller schrecklichste, indem die Stadt im Herbstmonat belagert, nach einer hartnäckigen Gegenwehr erobert, geplündert und angezündet wurde. Der bei dieser Zerstörung verursachte Schaden beliefe sich auf eine Million und nahe an zweimalhundert tausend Gulden!

Die französischen Kriege des achtzehnten Jahrhunderts haben der Stadt Offenburg durch Kontributionen und Durchmärsche wieder neuen Schaden gebracht; doch hat sich auch mancher Bürger durch die Franzosen bereichert, welcher sich durch Sprachkenntniß bei denen Befehlshabern beliebt gemacht und durch Handel und Gewerbe hervorgethan. Sonderlich erzählet man, daß bei dem Ueberfall der Kaiserlichen, wodurch der französische General Vivant genöthigt wurde, mit Zurücklassung seines ganzen Lagers auf dem "Angel" die Flucht zu ergreifen, mancher Offenburger gute Beute gemacht habe.

Beiläufig um das Jahr tausend siebenhundert und fünfzig entstanden zu Offenburg einige Mishelligkeiten zwischen dem Rathe und der Bürgerschaft wegen Verwaltung der Gemeindseinkünfte und etlichen andern Dingen. Nachdem aber solcher Prozeß mehrere Unkosten verursachet, wurde die Sache dahin verglichen, daß der Rath über die Verwaltung der gemeinen Einkünfte und Gefälle, wie auch über andere Schaffneien öffentlich Rechnung ablegen, und fürohin allezeit ein von den Bürgern erwählter Kassenherr dem städtischen Zahlamte beisizen solle. Bei diesem Vergleiche wurde auch den übrigen Beschwerden abgeholfen, und die Stadt erfreute sich fortan einer wahren Ruhe und Eintracht zwischen dem Rathe und der Bürgerschaft.

Zehn Jahre später entstund eine Zwistigleit zwischen der Stadt und den badischen Landvogtei-Beamten. Es wollte nämlich der damalige ortenauische Sekretarius gegen die hergebrachten Rechte und Gewohnheiten seinen Siz in der Stadt nehmen, und da ihm deswegen die Thore versperret wurden, so beschloß das landvogteiliche Oberamt, die Sache mit Gewalt durchzusezen. Es ließ daher alles Schießpulver in den Läden aufkaufen, damit der Bürgerschaft die Gegenwehr vereitelt wäre. Eine der kältesten Nächte war es selbigen Jahres im Jänner, da ein allgemeines Aufgebot der Landgerichte Grießheim und Ortenberg geschahe, um bei anbrechendem Tage sich vor dem untern Thore zu versammeln. Lächerlich war es anzusehen, wie vierzehn bis fünfzehnhundert Bauern, einige mit Flinten, andere mit Sensen, Mistgabeln und Dreschflegeln, Morgens um acht Uhr von dem untern gegen das Kinzigthor, über den Stadtgraben anrukten. In der Stadt blieb Alles ruhig und stellte sich Niemand zur Gegenwehr; jedoch, um jeder etwa entstehenden Unordnung vorzubeugen, hat sich der Stadtrath auf dem Rathhaus versammelt. Auf gegebenen Befehl der ortenauischen Herren Vögte wurde das Thor durch die vorangehenden Zimmerleute aufgehauen, die Bauern zogen in die Stadt und die Thorwachten wurden von ihnen besezt. Die übrige Mannschaft machte eine Zeitlang Halt vor dem Königshof, indessen die Wägen des Herrn Sekretarius in die Stadt geführt wurden, worauf sich die Bauern hier und dorthin in die Wirthshäuser und Schenken zerstreuten, bis gegen Abend, da jeder nach Hause ging. So endigte sich dieser Auftritt, die Streitsache selbst aber wurde nachher im Wege Rechtens beigelegt.

Einen dritten Anstoß hatte Offenburg mit Gengenbach und Zell zu dulden, als nach Absterben des Hauses Baden-Baden die ortenauische Landvogtei wiederum an das Erzhaus Oestreich heimgefallen, und man von Seiten desselben die Freiheiten und Rechte der drei Städte zu schmälern suchte. Allein auch diesmal wurden die städtischen Privilegien gerettet, und genießet Offenburg, obschon rings mit östreichischem Gebiete umgeben, jezt ruhig alle seine Rechtsamen und Herkommen(22).

Hier mag es endlich der Ort seyn, auch Einiges über die offenburgische Verfassung anzumerken. Das Stadtregiment bestehet aus dem Rathe und denen Zünften, ist also demokratisch. Dann in wichtigeren Verfallenheiten, welche das gemeine Beste der Stadt betreffen, kann der Rath ohne Vorwissen und Einwilligung der Zünfte nicht verfahren. Was aber die Gerechtigkeit betrifft, sowohl Halsgericht als Polizei-Bestrafung einzelner Bürger, bürgerliche Aufnahme, Genuß des städtischen Schuzes und dergleichen, da hat der Rath, öfters auch blos der Reichsschuldheiß oder der Städtemeister zu erkennen. Der ganze Rath besteht aus dem alten oder "Zwölfer-Rath" und aus dem jungen oder "Städtemeister-Rath". In den ersteren gehören der Reichsschuldheiß, der Obervogt und vier Zwölfer, in den zweiten die vier Städtemeister und die übrigen Rathsglieder. Damit aber der ganze Rath nicht aus zuviel Personen bestehe und die Rathspensionen nicht zu hoch anlaufen, so können die Glieder des alten Rathes auch zugleich dem jungen einverleibt, wie hinwiederum ein Städtemeister zugleich Zwölfer und Obervogt seyn.

Die anderen Bedienungen sind der Kanzleiverwalter, der Registrator, der Stadtschreiber und die Kanzlisten, welche die Kanzlei und das Archiv besorgen; der Forstmeister, welcher die Waldungen, Jagd und das Holzwesen verwaltet; der Lohnherr, welcher Straßen, Stege und Wege, das Bau- und Frohnwesen unter sich hat; der Wachtmeister, welchem die Besorgung der Thor- und Stadtwache obliegt; die beiden Kassire, welche die Stadteinkünfte einziehen und verrechnen; die drei Spital- und Kirchenschaffner, der Salzfaktor, der Salz- und Kornmesser, die Fleisch- und Brodschauer, der Kanzlei und die zwei Stadtbothen.

Die Bürgerschaft zerfällt in zehen Zünfte. Die erste, die Konstabler oder adelige Gesellschaft, begreift den Stadtrath, die Gelehrten, Künstler und die Bürger von Rang, welche keine Profession treiben. Die übrigen sind die Schmidt-, Schuster-, Bäker-, Kärrcher-, Fischer-, Reeb-, Schneider-, Weber- und Mezgerzunft. Jede derselben hat einen Rathsherrn zum Obmann und einen Zunftmeister, welcher von den zunftgenossenen Bürgern erwählet wird. Jeder Zunftmeister bleibt ein Jahr im Amte und richtet mit seinem Zunftrath, die Acht genannt, alle Schwierigkeiten der Zunft; bei Richter-Angelegenheiten und Vorfällen sizt der Obherr dem Zunftgerichte bei, und ergebet alsdann die Appellation an den Stadtrath.

Soweit unsere Chronik. Sechshundert Jahre hatte Offenburg als Reichsstadt bestanden, von dem Ausgange des Hauses Zäringen bis zur Auflösung des Reichsverbandes. Seine Lage war vortrefflich, an der großen Rheinstraße von Basel nach Frankfurth, zwischen dem Schwarzwald und Elsaß, mitten in einem fruchtbaren und woblbevölkerten Reichsländchen. Es konnte glücklich heranwachsen, groß und reich werden, wie Straßburg, seine Nachbarin; aber die frühen Pfandschaften haben seinen Flor schon im Keime gelähmt, und die östreichische Schuzherrschaft ihm alle freie Luft geraubt und alles bessere Gedeihen unmöglich gemacht Es ist empörend zu lesen, welchen Ton die östreichischen Landvögte und ihre Beamten oft gegen die Stadt annabmen - doppelt empörend, da Offenburg in billiger und bescheidner Weise nur sein uraltes Recht behauptete, jene aber meist Völlig unpatriotisch, feil und knechtisch auf eine Regierung pochten, deren Geist gleich einem vergiftenden Hauche alles Freiheitsleben anfraß und verkümmerte.

Es mochte der Stadt nahe gehen, als sie in Folge des Lüneviller Friedens dem Hause Baden zufiel. Mit schmerzlicher Ergebung in die Nothwendigkeit der Zeitumstände entsagte sie dem Schatten ihrer so viele Jahrhunderte lang mühsam bewachten und vertheidigten Reichsfreiheit. Diese Pietät für die von biedern und ehrenfesten Vätern ererbten Verhältnisse einer geliebten Heimath, war schön und lobenswerth; aber gewißlich muß Offenburg sich zu einer Veränderung Glück wünschen, welche es einem konstitutionellen, materiell und intellektuell freudig aufblühenden Staat zutheilte, wo ihm in höchst freisinniger Gemeindeverfassung der Impuls zu einer neuen kräftigen Entwiklung gegeben ist(23). Der Offenburger erinnere sich also immerhin mit frommem Vergnügen der reichsfreien Zeit seiner Heimath(24); aber er freue sich nichts desto weniger auch seines neuen Vaterlandes, und sey ein ebenso guter Badener, als er ehedem ein eifriger Reichsstädter war.


1.)    Es ist die Urschrift der "kurzen Offenburger Chronik", wovon die bei Macklot in Karlsruhe 1795 erschienene "Geagraphische Beschreibung der Landvogtei Ortenau" einen Auszug enthält. Die kleine Arbeit ist mit vieler Genauigkeit abgefaßt, und enthält so ziemlich alle Hauptveränderungen, welchen das offenburgische Gemeinwesen bis in die neuere Seit unterworfen war. Wo unsere Urkunden und Akten spezielleres Material an die Hand gaben, haben wir solches in den beigefügten Anmerkungen getreulich benutzt, und glauben, daß dadurch einige bisher dunkel gebliebene Stellen hinreichend erhellet seyen.

2.)    Dies wäre also eine fünfte Etymologie des Namens Ortenau. Vergl. oben I, 264. Hort bedeutet bald Ort oder Ek, bald Schaz (Thesaurus), oder Schuz (tutamentum), und endlich soviel als Hurst oder Hürde. Finden wir nun, daß in der Ortenau eine Reihe von Höfen, Weilern und Ortschaften auf Hurst ausgehen (wie Kunzhurst, Henkhurst, Unzhurst, Breithurst, Gamshurst, Malghurst, Wagshurst, Legelshurst, Bolzhurst, Hohnhurst, Langhurst), so müssen wir annehmen, daß der Verfasser unserer Chronik diesen Umstand im Auge gehabt habe, und zugleich eingestehen, daß seine Erklärung sehr an Wahrscheinlichkeit gewinnen würde, wenn die Urkunden nicht einstimmig "Mortenau" schrieben.

3.)    Alte Ortssagen sind keineswegs zu verachten, und es ist eine uralte, daß die Stadt Offenburg und das Kloster Offenzell (Schuttern) von einem englischen König oder Prinzen im siebenten Jahrhundert gegründet worden. Wie stehet es aber mit diesem Offo? Gehört er der Wirklichkeit oder der Fabel an? Wenn wir die Namen der britischen Mission durchgehen, so finden wir zwar einen König Offa, welcher seine irdische Herrlichkeit verließ und auf dem Kontinent als Mönch das Evangelium predigte (vrgl. Beda, histor. Angl. V. 20), seine Zeit aber paßt nicht zu dem hohen Alter der Offenzell, welches die schutterischen Schriftsteller so hartnäckig behaupten. Denn Offo lebte im Anfang des achten Jahrhunderts und das Kloster soll schon im Anfange des siebenten gegründet worden seyn. Wäre jene Urkunde ächt, worin König Dagobert aus Zuthun des Bischofs Arbogast von Straßburg seinen Hof in Herlisheim dem Kloster Offoniscella geschenkt haben soll (vergl. Schannat, vind lit I, 17), so mußte man freilich den König Offa von dem Klostergründer Offo trennen; da aber solche Aechtheit sehr zu bezweifeln ist (die Urkunde, wenn sie anders wirklich existirt, liegt vielleicht in Bamberg), so läßt sich gegen das Ansehen der Sage nicht weiter zu Felde ziehen - und wir wollen inzwischen getreulich glauben, daß die alten Pläze Offenweiler, Offenzell und Offenburg nicht etwa einem unbekannten ortenauischen Dynasten Offo, sondern dem heiligen Offo ihren Ursprung verdanken.

4.)    "Kinzdorf, sagt der Verfasser der Chronik in einer Anmerkung, sind heut zu Tage Felder und ist die Gegend außer der Stadt, allwo das Wirthshaus zum Ochsen stehet. Ich weiß mich gar wohl zu erinnern, daß, als ich in den Jahren 1759 und 1760 zu Offenburg meine studia philosophica absolvirte, in dem s. g. Ochsengarten mehrere Ueberbleibsel von schönen alten Gebäuden sind ausgegraben worden." Sicherlich waren diese Fundamente römischen Ursprungs; denn daß hier die Römer eine Niederlassung hatten, bezeugen die Denksteine, welche man im Bette der Kinzig, auf der Stelle des alten Kinzdorf, schon öfters vorfand. Der Fluß scheint seinen Lauf verändert und einen Theil der römischen Anlagen überschwemmt zu haben. Es war also hier, wie bei den meisten unserer alten Orte im Rheinthal - der erste Anbau stammt von den Kelten und Römern, und die Deutschen, als sie das Land eroberten, setzten sich auf den Trümmern ihrer Niederlassungen fest und erhoben allmählig neue Orte mit neuen Namen.

5.)    Wir müßten zuvor eine dieser Münzen selbst gesehen haben, um an ihre Abkunft aus der offonischen Zeit zu glauben. Die prärogative Herrlichkeit des "Grafen Offo" lassen wir also auch dahin gestellt seyn.

6.)    Eine eigenthümliche Uebersezung von Interregnum - die Zeit, wo das Reich (die Reichsglieder) des Zwangs der Ordnung, der Zucht entbunden war, wo es Ferien hatte. Das Bild ist nicht übel. Der Adel wenigstens benahm sich wie eine der Aufsicht entledigte, wilde, tolle Jugend.

7.)    Es stellt sich immer zuverlässiger heraus, daß die Stadt Offenburg, wie Freiburg, Villingen und Neuenburg, eine zäringische Stiftung ist. Die ältesten namentlichen Nachrichten über den Ort erscheinen in zäringischen Dokumenten, so z. B. im Rotolus San-petrinus bei Leichtlin, die Zäringer, S. 87) , wo es bei einer Verhandlung vom Jahr 1148 heißt: "Definitum est hoc apud castrum Offinburc." Das Wort castrum bezeichnete damals gewöhnlich ein Schloß mit einer Vorburg, aus welcher fast überall, wo es die Lage zuließ, allmählig eine Stadt erwuchs. Während der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts, da die zäringische Herrschaft am ruhigsten blühte, konnte Offenburg unschwer zum städtischen Range emporwachsen, in welchem es sich beim Ausgange des herzoglichen Hauses wirklich befand; auch die erste Aufnahme von Freiburg und Villingen fällt in diese Zeit.
Nach dem kinderlosen Hinscheiden Herzog Berthold des Reichen zerfiel das zäringische Erbe in zwei Theile; die überrheinischen (in der burgundischen und alemannischen Schweiz) Besizungen erbte das Haus Kyburg, die diesseitigen (in Schwaben, auf dem Schwarzwald und im Rheintal) das Haus Urach. Zu den leztern aber gehörten namentlich die Städte Freiburg, Neuenburg, Offenburg, Villingen, Hausach und Haslach. Dieselben wurden aber sämmtlich als heimgefallene Lehen betrachtet und vom Kaiser an das Reich gezogen. Graf Egon und sein Sohn Konrad machten sie dagegen als Stammgüter geltend, die ihnen jure successionis hereditarie zugefallen seyen. Freiburg, Neuenburg ec. wurden auch glücklich wieder gewonnen - nur Offenburg blieb als Reichsgut in der Hand des Kaisers. Denn jene beiden Städte hatten die Herzoge auf ihrem Grund und Boden völlig neu gestiftet; wogegen Offenburg als Schloß (wie Bern als Dorf) eine ältere Gründung war und auf freiem Reichsterritorium lag.
S. Schöpflin, hist. bad. V, 157, 214. Sachs I, 140, 179.

8.)    Königshofen Els. Chron. S. 116, 244, 316. Guillimann, de episcop. Argent. pag. 288, 290.

9.)    Die Urkunde über Freiheit und Ordnung des Spitals, "der in Gottes Ehren den armen Siechen (kranken) und dürftigen Leuten zu helfen, zu Offenburg neuling erhoben worden", ist vom Hornung 1310. Sie enthält folgende Hauptsazungen: Der neue Spital genießt alle Freiheiten und Rechte der übrigen Gotteshäuser zu Offenburg, namentlich aber diejenigen des Hospitals der Stadt Freiburg; seine Angehörigen haben Theil an allen Stätten und Gerichten, an Allmenden, Wald und Feld, ohne dem gemeinen Wesen mit Steuern, Wachen, Auszügen oder andern Diensten verbunden, ohne Umgeld und Zoll schuldig zu sein; der Pfleger oder Spitalmeister empfängt sein Amt von dem Bischofe zu Straßburg und muß dem Schultheißen und Rathe alljährlich Rechnung ablegen, dagegen hat er Macht und Gewalt, Dürftige und Sieche in den Spital aufzunehmen, seine Helfer und Dienstleute zu sezen und zu entsezen, alles Nöthige anzuschaffen und das Spitalgut umzutreibem. Aufgenommen aber dürfen nicht werden arbeitsfähige oder töbige:(rasende) und aussäzige Leute, und Kinder, welche der Amme noch bedürfen. S. Reinhard, Gesch v. Geroldsek. II, 45.
Da die offenburgische Spitalanstalt bald sehr vermöglich und ausgedehnt wurde, so trennte man sie in den armen und reichen oder St. Andreas-Spital. Jener ward für arme Presthafte und Kranke, dieser für Pfründner eingerichtet, welche sich in die oberen und unteren unterschieden und am Herren- oder Bürgertische aßen. Der St. Andreas-Spital erhielt auch seine besonderen Geistlichen, für welche an der Spitalkirche eigene Stipendien gestiftet waren. So umsichtig und mit so freigebiger Hand sorgten die Städte des Mittelalters für alle Bedürfnisse des Gemeinwesens, um es geordnet, gesichert und blühend auf ihre Nachkommenschaft zu bringen. Wären sie darin nicht durch verheerende Kriege und den traurigen Zerfall der Reichs- und Landesverfassung hunderfältig gestört und gehemmt worden, wie ganz anders noch würden sie sich gehoben, gestärkt und bereichert haben.

10., 11.)    Schöpfl. hist. bad. V, 4l7. Guillim. 347. Reinhard I, 34.

12.)    Die Urkunden und Notizen hierüber sind bei Königshof. 258, Guillim. 373. Schöpfl. III, 338. und Hugo, Mediat. d. Reichsstädte, 296.

13.)    Der mit vielem Wortschwall abgefaßte Bestätigungsbrief ist ebenfalls bei Hugo, 300. "Nos igitur," heißt es unter Anderm darin, "intemeratae fidei firmam constantiam et clara fidelitatis obsequia, quibus praedicti nostri cives, incolae et habitatores in Offenburg vigilanti studio et sedula diligentia majestati nostrae et nostris antecessoribus non sine gravibus personarum et rerum periculis astiterunt, in nostrae considerationis aciem adducentes - universa et singula eorum privilegia, literas, libertates, emunitates atque indulta de verbo ad verbum approbamus, ratificamus, auctorizamus et confimamus."

14.)    Guillim. 410, und Schöpfl. III, 339. Die Urk. hat Hugo, 307 bis 314.

15.)    Schöpfl. III, 341 und Hugo, 315 bis 319.

16.)    Hugo, 319 bis 325.

17.)    Hugo, 325 bis 333. Schöpfl. II, 45, 155. III, 333 bis 357. Sachs II, 132, 140, wo überhaupt die ortenauischen Verhältnisse auseinandergesezt sind.

18.)    Trithemius, chron. Hirsaug. ad annum 1504: Maximilianus Argentinensium auxilio Regni terras et oppida Palatinatui oppignerata sine sanguinis effusione invasit et obtinuit Geroldsek castellum et comitatum, Offenburg, Ortenberg, Gengenbach et quidquid in circuitu juris fuerat Palatini."

19.)    Diese Vermehrung bestund vorzüglich darin, daß Maximilian von kaiserlicher Machtvollkommenheit, für sich und seine Nachweser am Reich den drei Städten, ihnen und ihren Nachkommen, feierlich versprach und zusagte, daß der halbe Theil der ortenauischen Pfandschaft den er dem Pfalzgrafen als einem Aechter und Aberaechter entzogen habe, wie auch die andere Hälfte, wenn sie vom Stift Straßburg eingelöst würde, fürderhin beim Reiche verbleiben und kein Theil ohne der Städte Wissen, Willen und Gehelle von demselben abgerissen und Jemanden versezt werden solle. Vergl. Hugo, 334.

20.)    Ein Schuz, welcher die gute Stadt theuer zu stehen kam! Ein richtiges Gefühl hatte ihr auch gleich Anfangs die Ahnung der ganzen Gefahr eingegeben, und sie widersezte sich lange Zeit mit patriotischem Eifer den unterjochenden Bestrebungen Oestreichs. Denn wie bei Freiburg und Villingen, so zeigte sich auch hier jene heuchlerische und treulose "Praktik" des östreichischen Hofes. Geben wir eine kurze Schilderung des interessanten Prozesses, welchen die drei ortenauischen Reichsstädte ein volles Jahrhundert hindurch geführt haben, um der Unterjochung unter das Erzhaus zu entgehen und ihre ursprüngliche Unmittelbarkeit zu erhalten.

Nachdem das gute Offenburg mit seinen zwei Schicksalsgenossinnen und der ganzen Landvogtei Ortenau zweihundert Jahre lang den Kaisern gleich einer Waare als Unterpfand für entliehene Gelder gedient, und in diesem wechselnden, prekären Verhältnisse gar manches Bittere erfahren hatte, konnte ihm jene Gelegenheit der Achterklärung nicht unbemerkt entgehen, die lang entbehrte Unmittelbarkeit wieder zu erlangen. Doch lag dem Kaiser noch mehr daran, und er ließ es auch an Versprechungen nicht fehlen, die Stadt von ihrem Pfandherrn abtrünnig zu machen. Der Lohn für ihre Bereitwilligkeit war das oben angeführte feierliche Privilegium, daß die drei Städte ohne ihr Wissen und Willen nie mehr vom Reiche sollten entfremdet werden. Wie hoch die Offenburger die neue Freiheit hielten, geht hundertfältig aus ihren Akten hervor, worin es unter anderm heiß-, "daß die Städte, als sie sich an Kaiser Maximilian ergaben, ohne solche Zusage nit bald von der Pfalz abgefallen wären". Ihr Jubel kannte daher keine Schranken, als sie das kaiserliche Wort verbrieft und besiegelt in ihren Händen sahen. Aber er war zu voreilig, dieser Jubel; denn siehe da - schon Maximilian selbst verpfändete die Städte wieder, an den jungen, feurigen Grafen von Fürstenberg! Was that man nun? Man war klug genug für den Augenblick, man ließ geschehen, was der mächtige Kaiser doch nicht geändert hätte; aber man huldigte dem neuen Pfandherrn nicht, indem man ihn nur gleichsam als Landvogt des Reichs betrachtete, und Maximilian ließ die Sache ausgesezt - bis auf Weiteres. Indessen bezog der Graf die Steuer, die Renten und Zinse, unbekümmert um eine Formalitäit, welche ihm nichts eintrug und deren Unterlassung nichts zu verfangen schien. So verflossen mehrere Jahrzehnte - die Offenburger erhielten ihre maximilianische Freiheit sowohl von Karl V. als Ferdinand I. bestätigt, was konnte sie hindern an deren Wirklichkeit zu glauben? Sanft schliefen sie ein auf ihren Freiheitsbriefen und waren glücklich in dem Traume ihrer wiedererlangten Reichsunmittelbarkeit.

Da weckte sie plötzlich ein Mandat Kaiser Ferdinands aus ihrem Schlummer. Es verkündigte ihnen, daß er vermöge des Lösungsrechtes, welches ihm sein seliger Vater im Jahre 1521 verliehen die beiden Pfandschaften der straßburgischen und fürstenbergischen Hälfte des Reichslandes Ortenau, nunmehr an das Haus Oestreich gezogen habe, und hielt sie an, sowohl ihm als seinem Landvogte die gebührende Huldigung zu leisten. Die armen Getäuschten rannten nach ihren Pergamenten und schüzten sie vor. Wie kann der Kaiser die Freiheit seines Vorfahrs vernichten? dachten sie. Wie kann man unsere freie Reichsstadt so ohne Fug und Recht zu einer östreichischen Landstadt machen? Freilich, eine servile Parthei im Rath hätte es geschehen lassen; der Gemeinde aber riefen die Patrioten zu: "Sollten unsere drei Städte dem Hause Oestreich gehorsam seyn, so müßten sie, wann Fehden oder Kriegsempörungen wider dasselbe entstünden, jeder Zeit nachfolgen und mitreisen; sie würden auch bald gen Ensisheim oder Innsbruck, anstatt an das kaiserliche Kammergericht, appelliren müssen, wie dann der Landvogt zu Schwaben keine Appellation mehr aus der Landvogtei an das Kammergericht mehr gestatten, sondern die Partheien mit Gewalt nach Innsbruk zwingen will, allwo das jüngst Gericht ist, von dem man weiter nicht appelliren kann. Und wer mag sagen, was man sich der Contribution, Steuer, Hilf und Schazung halber werde zu befahren haben? Es ist einem Jeden unverborgen, wie man dieser Zeit unter dem Hause Oestreich sizt. Wenn wir unsere kontraktmäßige Freiheit nicht aufrecht erhalten, so werden wir aus einer immediaten freien Stadt des heiligen Reichs eine mediate östreichische Fürstenstadt und davon zu ewigen Zeiten nicht geledigt werden."

So sprachen die offenburgischen Patrioten, und wer verwundert sich nicht, wie richtig ihr politischer Blick war? Man ergriff nun vorerst den Ausweg, allein dem Fürsten als Pfandhernn und nicht zugleich seinem Landvogte zu huldigen. Als die östreichische Regierung aber barsch darein fuhr und streng auf dieser Huldigung bestund, so unternahmen die drei bedrängten Städte eine urkundliche Rechtsnachweisung, daß durch die ferdinandische Lösung ihre maximilianische Freiheit völlig annullirt sey, da man sie nach deren ausdrücklichem Wortlaut, ohne ihren Konsens nicht vom Reiche trennen und willkührlich verpfänden könne. Aber alle Darstellungen der wahren Sachlage fruchteten nichts; Oestreich vollendete seinen Gewaltstreich, indem Kaiser Rudolf II. im Jahre 1582 den Bescheid erließ, daß die Reichsstädte Offenburg, Gengenbach und Zell, ohngeachtet ihrer Einreden und Ausflüchte, welche als ganz unerheblich schon genugsam abgelehnt worden, dem durchlauchtigsten Erzhause als ihrem Pfandherrn und Oberlandvogte die schuldige Gegenpflicht gehorsamst zu leisten und erweisen haben. Dieser Bescheid wurde im Jahre 1613 von Kaiser Matthias bestätigt, und der hierauf einbrechende 30jährige Krieg brachte die Sache in Vergessenheit. So wurde Maximilians Kaiserwort gedeutet und gedreht!

21.)    Die erste Erneuerung ihrer "uralten Vewandtnis und Einung" machten die Städte im Jahr 1575 nach jenen bittern Erfahrungen unter Oestreich. "Dieweil dann die Sachen, heißt es im Bundbrief, so beschaffen und wir nichts Gewisseres zu erwarten haben, dann wo solchem vor Augen schwebendem Unrath nicht mit zeitiger Vordetrachtung und vertraulicher Zusammensezung einhelliglich begegnet und unsers äußersten Vermögens widerstanden wird, wir mit der Zeit um alle unsere Freiheiten kommen und in eine ewige Dienstbarkeit gerathen möchten. Hierauf und in Erwägung dieses Alles - versprechen wir nun bei unsern Treuen und Glauben in höchster und bester Form an eines geschwornen Eides Statt, daß wir hinfür, wie von alters her, ein Korpus bleiben und als Mitglieder getreulich, wie unsere Vorältern, zusammenhalten und einander mit Rath und That in fürfallenden Sachen nicht verlassen, sondern unter einander gute Correspondenz halten, und uns durch keine Praktik noch Geschwindigkeit trennen lassen, sondern jederzeit für einen Mann stehen und in Sachen unserer gemeinen Wohlfahrt, Freiheit, Recht und Gerechtigkeit, mit besammtem Rathe, allem Fleiß und Vermögen handeln wollen." Die zweite Erneuerung geschah im Jahre 1614 mit einem Rükblik auf die Politik der frühern Pfandherren "von deren Anmaßungen den drei Städten das schreckbare Andenken geblieben", und eine dritte im Jahr 1773 nach dem Wiederanfalle von Baden an Oestreich.

22.)    Obgleich der Kaiser damals sowohl der Regierung zu Freiburg, als dem ortenauischen Oberamte die Vorschrift ertheilt hatte, "keine andere jura, als wie die Landvogtei von dem Haus Baden übernommen und von lezterm exercirt worden, gegen die drei Reichsstädte auszuüben", so suchte gleichwohl das Oberamt eine "Universal-Jurisdiktion" einzuführen, und verlezte durch eigenmächtige Neuerungen die Freiheits- und Verfassungs-Privilegien der Städte, wogegen diese von Jahr zu Jahr ihre gravamina erhoben, jedoch ohne andern Erfolg, als die Anhäufung "namhafter Kosten". Im Jahr 1784 endlich sollte die Sache durch eine ad locum adzuschikende Kommission mündlich verhandelt werden - als plözlich und unerwartet "durch eine unbekannte Triebfeder" die politische Landesregierung diesen Weg der Lösung adschnitt und das schriftliche Verfahren verlangte, wo der ganze weitläufige Handel wieder ab ovo mußte begonnen werden. Daß derselbe hierauf nach Jahren nach zu Gunsten der Städte ausschlug, war ein Glück, welches sie durch ihre Standhaftigkeit mehr als verdient hatten.

23.)    Offenburg hatte bei seinem Anfall an Baden 430 Häuser mit ohngefähr 2.400 Einwohnern, und jezt zählet es etwa 4.000 derselben.

24.)    Zum Abschiede gleichsam von derselben, geben wir hier eine kurze Schilderung der offenburgischen Verhältnisse unter dem lezten Reichsschuldheißen L. Witich. Was den damaligen statum ecclessiasticum betraf, so bestund die offenburgische Geistlichkeit in dem Pfarr-Rektor einem Stadtprediger und Kaplan, einem Franziskaner und Kapuziner Kloster; die frühern Filialkirchen zu Ortenberg, Bolsbach und Walthersweier waren 1789 zu eignen Pfarreien und Lokal-Kaplaneien erhoben worden. An Unterrichtsanstalten besaß die Stadt ein Gymnasium, eine Knaben- und eine Mädchenschule, nebst einem besondern Lehrer der französischen Sprache; die Zahl der sämmtlichen Schuljugend delief sich auf etliche über 270.

Der status politicus war in der Hauptsache noch, wie ihn die Chronik angibt. Die Ziviljustiz verwaltete der alte oder Zwölfer-Rath, von dessen Erkenntniß bei einer Summe von 400 Rthl. die Appellation (ohne Instanzen) unmittelbar an eines der höchsten Reichsgerichte ging. Derselbe alte Rath hatte auch die Verwaltung der Kriminaljustiz. Die Untersuchung führte der Reichsschuldheiß mit dem Kanzleiverwalter oder Stadtschreiber, unter Zuzug zweier Mitglieder des Zwölfer-Raths, welchem alsdann die Resultate zur Erkenntniß-Fällung vorgelegt wurden. Lautete dieses auf Lebensstrafe, so verschikte man die Akten an eine Juristenfakultät zum Urthelspruche. Für die Ziviljustiz galten die Statuten vom J. 1347 und das gemeine Recht in subsidium; für die Kriminaljustiz dagegen allein die Karolina. Es gab 2 Aerzte, 4 Chirurgen und 2 Apotheken zu Offenburg. An Militär sollte die Stadt 11 Mann zu Fuß und 2 zu Pferde stellen, hielt aber damals blos einen Unterlieutenant, einen Korporal und vier Gemeine. Dieses Kontingent wurde aus fremden Leuten angeworben. Es befanden sich aber in der Stadt sowohl ein kaiserliches, als ein preußisches Werbkomando.

Rüksichtlich des status oeconomici besaßen die Offenburger 950 Jauchert Acker-, 164 Tauen Matt- und 2.737 Haufen Rebland. Der Viehstand belief sich auf 400 Stück Rinder und 174 Pferde. An Hölzern gehörte der Stadt der Burger-, Stangen- und Bokwald, woraus den Bürgern das Klafter um einen leidlichen Preis verabfolgt wurde. In die Stadtkasse flossen die Einkünfte des Allmend- und Rädergelds, Beker- und Mezger-Accises, Zoll-, Weg-, Brücken- und Um-Geldes, der Kollekten und Beten, des Haus-, Keller- und Güterzinses, des Wein- und Holzerlöses, Salzverschleußes und dergleichen. An ausstehenden Kapitalien besaß die Gemeinde etwa 4.000 fl, die auf dem Lande verhypothezirten Schulden aber beliefen sich auf 118.000 fl.


Hinweise zu oben in Kürzeln genannter Literatur:
Jakob Twinger von Königshofen (* 1346 in Straßburg; † 27. Dezember 1420 in Königshofen bei Straßburg) war ein deutscher Geschichtsschreiber.
Johann Daniel Schöpflin (* 6. September 1694 in Sulzburg; † 7. August 1771 in Straßburg) war Professor der Geschichte, Beredsamkeit und Staatsrechtslehre
Gustav Wilhelm Hugo - Die Mediatisirung der deutschen Reichsstädte - G. Braun, 1838
Hugo Urkunden zu Offenburg - ebenda 295 / Nr. 52 ff.
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