Die Burgen der Geroldsecker auf dem Schönberg von Karl List Freiburg i. Brsg.


Die Burg Altgeroldseck auf dem Rauhkasten von Karl List - "Die Ortenau" 1984, S. 320 ff.


Gemeinde Seelbach (Ortenaukreis), ehemalige Gemeinde Schönberg

Auf der Höhe 604 in einer Entfernung von 1750 Meter Luftlinie nördlich der Burgruine Hohengeroldseck befinden sich Mauerreste einer abgegangenen Burg. Der Öffentlichkeit kam diese Burg erneut ins Bewußtsein, als der Lahrer Zimmermeister Karl Langenbach kurz vor dem ersten Weltkrieg beim Bau eines Aussichtsturmes auf frühes Mauerwerk stieß. Fundamentmauern wurden bei näherer Untersuchung aufgedeckt, die eine Fläche von nur ca. 460 Quadratmetern umschlossen. Die damalige Untersuchung blieb unvollständig, denn das fehlende Ostfundament konnte auf eine Länge von 22 Meter im Jahre 1953 nebst den schon bekannten Mauerzügen eingemessen werden. Schon F. X. Steinhart hatte 1917 die nördliche Schildmauer der kleinen Burg in ihrer ganzen Ausdehnung und mit 3,60 m Breite eingemessen. Die gefundenen Mauern bestehen aus dem anstehenden Porphyr, doch Gewändsteine und Eckquader sind aus rotem Sandstein gearbeitet, was spärliche Funde bezeugen. Aber die Bearbeitung dieser Quader, die "geflächt" sind, verweist die kleine Burg in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts. Der Fund eines Gewändestücks, von einem Portal stammend, mit einem Diamantfries besetzt, bestätigt die frühe Erbauung. Die Steilhänge im Osten, Süden und Westen gestatteten nicht einen umschließenden Wallgraben. Doch vor der starken Schildmauer war der Höhenrücken tief durchstoßen, so daß die Burg hier nur über eine Zugbrücke zu betreten war.

Plan der Burg Altgeroldseck. Zeichnung: Karl List
Plan der Burg Altgeroldseck. Zeichnung: Karl List

Der Gesamtbefund ergab, daß der Palas mit seinen Wohnräumen die Hälfte des umbauten Südteils einnahm. Zwischen Palas und der starken Schildmauer im Norden befand sich der innere Hof von ca. 10 auf 12 Meter Weite, im Westen begrenzt von Stallungen und dem Brunnenhaus, welche durch die westliche vorspringende Schildmauer abgedeckt waren. Die breite Schildmauer wurde natürlich im oberen Teil durch einen Wehrgang gekrönt. Darüber hinaus ließ der Befund erkennen, daß die Burg nicht durch kriegerische Ereignisse oder Brände zerstört wurde, sondern wohl von ihren Besitzern aufgegeben und abgetragen worden war. Nach der gewaltsamen Zerstörung einer Burg finden sich nicht nur viele gut bearbeitete Werkstücke, Ziegel und auch Hausgerät; vor allem zeigen Brandspuren und Ziegelbruch gewaltsame Untergänge an. Hier aber sind gute Werksteine fortgetragen; auf der Hohengeroldseck finden wir solche Spolien vermauert. Damit beantwortet sich schon die längst fällige Frage nach den Herren dieser frühen Burg.

Ein Schutzbrief des Papstes Innozenz II. für das Kloster Gengenbach aus dem Jahre 1139 weist daraufhin, daß der vierte Teil des "Castrum Gerolteshecke" dem Kloster gehöre. Da zu dieser Zeit die Burg Geroldseck auf dem Schönberg noch nicht existierte, handelte es sich um unsere Rauhkastenburg, die ein Kerolt (= Gerold) sich zu Beginn des Jahrhunderts auf dieser unwirtlichen Höhe zum Schutze seiner Silbergruben an den Südwesthängen des Bergmassivs errichtete. Seit dem 11. Jahrhundert nennen sich die großen Geschlechter nach ihren Burgen, auch die Geroldsecker, die nun mit den guten Werksteinen auch ihren Namen auf den Schönberg trugen.

Rekonstruktion der Burg Altgeroldseck. Zeichnung: Karl List
Rekonstruktion der Burg Altgeroldseck. Zeichnung: Karl List

Als an einem Novembertag des Jahres 1218 dem edlen Herrn "Heinricus de Geroldisecge" Kaiser Friedrich II. auf der Burg Mahlberg die Erlaubnis zum Bau der Tiefburg Lahr gab und damit die Herren von Geroldseck in die Neuordnung der Ortenau einbezog (der Kaiser selbst hatte das Grafenamt in der Ortenau an sich gezogen), kam Heinrich von Geroldseck zweifellos von der Rauhkastenburg. Der Bau der Tiefburg Lahr, vor allem jedoch die reichhaltigeren Silberfunde im Prinzbachtal nahmen der Rauhkastenburg ihre ursprüngliche Schutzfunktion. Eine Hochburg auf dem Schönberg an der Paßstraße bot sich an, und damit war das Ende der Burg "Altgeroldseck" gekommen.

Literatur:

K. List, Die Burg "Altgeroldseck" auf dem Rauhkasten, in: Geroldsecker Land 25 / 1983, S. 18 - 26.
F. X. Steinhart, Die Burgruine auf dem Rauhkasten, in: Ortenau 21 / 1934, S. 331 - 336.


Die Burg Hohengeroldseck von Karl List - "Die Ortenau" 1984, S. 323 ff.


Gemeinde Seelbach (Ortenaukreis), ehemalige Gemeinde Schönberg

Name: Gerolteshecke (1139), Geroltseck (1228), Hochengeroltzeck (1449)

Eine der markantesten Burgruinen im badischen Land ist die Hohengeroldseck auf dem Schönberg, einst Schimberg genannt. Die Burg thronte gleichermaßen über dem Kinzigtal und dem Tal der Schutter; sie beherrschte die Paßstraße, die vom Elsaß über den Rhein kommend nach Schwaben führte. Der Schönberg verdient seinen Namen zu recht; allmählich ansteigend, gipfelt er in einem steilen Porphyrkegel von 525 Meter ü. d. M. Ein Berg, den mit einer Burg zu krönen ein mittelalterliches Herrengeschlecht reizen mußte, zumal seine strategische Position in der Landschaft nicht zu übersehen war. Die steilen, zerklüfteten Felsen machten die Burg in einer Zeit, die noch keine weittragenden Geschütze kannte, unangreifbar. Der Gipfel des Berges selbst bot zu dem genügend Raum für mächtige Bauten, einen weiten Zwinger und starke Ringmauern.

Es ist verständlich, daß um einen solchen Berg und seine Burg schon früh Legenden und Sagen sich ranken. Schon die Römer seien mit einer Befestigung auf dem Berg gewesen, welche die Alemannen bei ihrer Landnahme im Jahre 407 zerstört hätten. Oder: Gerolt, ein römischer Senator sei zur Zeit Karls des Großen im Jahre 798 der Erbauer der Burg gewesen. Alle diese frühen Geschichten sind legendarisch und ohne historische Belege. Auch die Stammregister der Herren von Geroldseck in der Pappenheimschen Chronik - in denen die Geroldsecker zur Zeit Heinrich I. nachgewiesen werden - sind Legende. Weder archäologische Befunde noch historische Fakten weisen auf eine Erbauung der Burg vor dem 13. Jahrhundert. Der Name "von Geroldseck" kann leicht irreführen; es gibt eine Anzahl mittelalterlicher Geschlechter, die diesen Namen tragen, ohne jedoch verwandt zu sein. Bereits die Geroldsecker "am Wasichen" (Große und Kleine Geroldseck, Gemeinde Haegen / Unterelsaß) sind ein anderes Geschlecht, nicht verwandt mit unserem Geschlecht in der Ortenau und zeitweise deren Gegner wie im Krieg des Bischofs Walter von Geroldseck mit der Stadt Straßburg im Jahre 1262. Die Geschlechternamen entstanden spät und erst mit ihren Stammburgen. Zumeist führte der Name des Berges zum Namen des Geschlechts, so: von Hohenstaufen, von Hohenzollern, von Habsburg, von Üsenberg, von Hachberg. Seltener gibt der Name des Erbauers einer Burg dieser seinen Namen, wie das bei der Burg Geroldseck der Fall ist.

Die Hohengeroldseck: Blick vom Treppenturm des Palas nach Westen. - Aufnahme: J. Mühlan
Die Hohengeroldseck: Blick vom Treppenturm des Palas nach Westen. - Aufnahme: J. Mühlan

Das Geschlecht der Herren von Geroldseck erscheint urkundlich in einer Zeit, als sie ihre Burg auf dem Schönberg noch nicht erbaut hatten. Im Jahre 1139 stellte Papst Innozenz II. dem Kloster Gengenbach einen Schutzbrief aus, in dem der vierte Teil des Berges, auf welchem das "Castrum Gerolteshecke" erbaut wurde, als Eigentum des Klosters bestätigt wird. Das Castrum - die Burg - ist also schon erbaut und trägt einen bereits geläufigen Namen. Dieser Name kommt von einem Gerolt - oder Kerolt -, der auf einem Eck, also einem Felsgipfel, seine Burg erbaute. Am Schönberg aber hatte das Kloster keine Rechte, wohl aber an der nahen Höhe 604, dem Rauhkasten. Hier finden wir, ca. 1700 m vom Schönberg entfernt, die Ruine der Altgeroldseck und nahe dabei den "Abtswald" des Klosters Gengenbach. Von hier brachte das Geschlecht seinen Namen mit auf den Schönberg. Die Rauhkastenruine weist in Quaderbearbeitung und Werkstücken auf eine Erbauung zum Anfang des 12. Jahrhunderts hin; einige Werkstücke in der Ruine der Hohengeroldseck zeigen gleiche Merkmale. Sie sind als Spolien beim Abbruch der Rauhkastenburg in der neuen Burg verbaut worden, so z. B. ein romanischer Dreipaß-Sturz in einer Nische der Westwand des Ritterhauses.

Die Hohengeroldseck: Der Grundriß des Genieoffiziers Beaulaincourt zeigt den Baubestand 1693 sowie die vorhandenen und geplanten Verschanzungen
Die Hohengeroldseck: Der Grundriß des Genieoffiziers Beaulaincourt zeigt den Baubestand 1693 sowie die vorhandenen und geplanten Verschanzungen.

Der Wanderer, der die Ruine von Ferne sieht, gewinnt zwar den Eindruck einer mächtigen Anlage, aber keinen Gesamtüberblick. Den bietet nur ein Blick aus der Vogelschau oder der Grundrißplan des Ganzen. Diesem wenden wir uns zu. Die mittelalterliche Burg - ohne die späteren Vorwerke - hatte eine Länge von ca. 95 Metern, gemessen von der Ringmauer über dem Vorgraben, der durch die Zugbrücke überwunden wurde, bis zum südöstlichen Mauerspitz. In der Breite von Süden nach Norden messen wir nur 50 Meter. Der Zugang zur Burg über die Zugbrücke lag direkt an der Nordwestecke der Ringmauer. Nach Passieren des Tores betrat man ein Vorwerk von 20 Meter Länge, in welchem ein eingedrungener Feind von der südlich flankierenden, auf drei Meter hohen Felsen aufsitzenden Schartenmauer leicht besiegt werden konnte. Durch die Grabung einer Lahrer Pfadfindergruppe wurde das Vorwerk 1983 bestätigt.

Verließ man das Vorwerk durch eine östliche Pforte, so befand man sich in dem weiten Zwinger der Burg - dem äußeren Burghof - und zwar vor dem Brunnenhaus. Der Zwinger ist von wechselnder Breite und umschließt die eigentliche Kernburg. Diese bestand aus dem hinteren und älteren Ritterhaus oder Palas, dem späteren Vorderhaus und dem inneren Burghof, elf Meter über dern Niveau des Zwingers. Das Gelände des umschließenden Zwingers ist ursprünglich regellos voller Klüfte und Felsen gewesen und wurde beim Bau der Burg planiert. Die in der Mitte herausragenden Felsmassen endeten in zwei Gipfeln; auf dem östlichen finden wir heute das Ritterhaus, auf dem westlichen die Ruine des Vorderhauses. Der Raum zwischen beiden Häusern wurde eingeebnet für den oberen Hof, der auf seiner Nordseite durch eine hohe Wehrmauer abgedeckt war. Der Aufstieg vom Zwinger zur oberen Burg erfolgte über eine Treppenanlage unter der Nordwestecke des Vorderhauses und führte über eine hölzerne Brücke zum Innenhof.

Die Hohengeroldseck: Blick über den Palas nach Osten. Aufnahme: J. Mühlan
Die Hohengeroldseck: Blick über den Palas nach Osten. Aufnahme: J. Mühlan

Die unregelmäßigen Felsmassen, auf denen die Hauptgebäude sitzen, zwangen zum Ausgleich der Fundamentbasen. Dies geschah durch die Konstruktion weitausgreifender Entlastungsbögen aus guten Sandsteinquadern. Ein solcher Quader in der Mitte der Südfront trägt ein kleines Steinmetzzeichen; es zeigt das Wappen der Herren von Geroldseck in frühgotischer Form. Das gleiche Zeichen in gleicher Größe findet sich um 1260 am Chor der Stiftskirche in Lahr. Unter dem gleichen Bogen befand sich einst ein direkter Aufgang vom Zwinger zum oberen Hof; die Wendeltreppe ist heute zerstört, der früher offene Bogen jetzt vermauert. Die den Zwinger einfassende Ringmauer trug einen Wehrgang mit Schießscharten, von denen noch einige erhalten sind. Die Mauer selbst war 2,10 m dick und vom Zwingerboden bis zum Wehrgang 6,50 m hoch. Im Schutz der Ringmauer sind - an diese angelehnt - Stallungen, Schöpfe und auf der Nordseite ein Gesindegebäude mit einem Treppentürmchen zu einem Obergeschoß.

Die Hohengeroldseck: Die Wappentafel im oberen Burghof (um 1530). Sie berichtet von der Gründung der Burg durch den sagenhaften Herzog Geroldt von Schwaben. Aufnahme: J. Mühlan
Die Hohengeroldseck: Die Wappentafel im oberen Burghof (um 1530). Sie berichtet von der Gründung der Burg durch den sagenhaften Herzog Geroldt von Schwaben. Aufnahme: J. Mühlan

Die auf dem Porphyrfelsen errichteten Hauptgebäude mit ihrem Innenhof hatten eine Längsausdehnung von ca. 50 m in ost-westilcher Richtung, die äußerste Breite beträgt ca. 20 Meter. Das mächtige hintere Ritterhaus auf dem östlichen Felsen erhob sich vier Geschosse hoch, deren einzelne Höhen mit 3,30 m, 4,40 m, 4,00 m und im obersten Geschoß 3,10 m betrugen. Der süd-östliche Giebel erhob sich 33 Meter über dem Zwinger und den hier hochragenden Felsen. Das zweite Obergeschoß diente vorwiegend der Repräsentation bei festlichen Anlässen, was die Fassade mit ihren reich ausgebildeten Fenstern erkennen läßt. Hier war der Rittersaal mit ca. 8 mal 10 Meter Größe. Die Fenster des Rittersaales sind in Zweiergruppen zusammengefaßt, deren jede drei schmale spitzgotische Öffnungen aufweist. Entsprechend der inneren Bogennische ist der mittlere Spitzbogen erhöht. Die zwei Nischenbogen werden bei ihrem Zusammenstoß von Säulchen getragen, deren Basen mit ihren typischen Merkmalen in die Mitte des 13. Jahrhunderts weisen. Die Eckquader des mächtigen Palasgebäudes wie auch die Gewändesteine bestehen aus Sandstein, während das übrige Mauerwerk dem anstehenden Porphyr des Untergrundes entnommen wurde. In den südlichen Winkeln des 15 Meter breiten Innenhofes führen zwei Treppentürme in die oberen Geschosse der beiden Herrenhäuser. Der zum Ritterhaus führende Treppenturm ist noch bis zum obersten Geschoß begehbar. BeideTreppentürme bestehen aus vorzüglich gearbeiteten Sandsteinquadern, und diese enthalten zahlreiche Steinmetzzeichen; die Außenquader sind geflächt und ohne Bossen.

Die Hohengeroldseck: Das Ritterhaus (auch das Hintere Haus genannt). Aufnahme: J. Mühlan
Die Hohengeroldseck: Das Ritterhaus (auch das Hintere Haus genannt). Aufnahme: J. Mühlan

Auch am Ritterhaus findet man zahlreiche Steinmetzzeichen, die ebenso wie die Zeichen des Treppenturmes dem mittleren Drittel des 13. Jahrhunderts zuzuweisen sind. Unter den Zeichen sind solche, die bereits an der älteren Wasserburg in Lahr gefunden wurden, auch an einem Fenster der Ruine Diersburg. Andere Zeichen finden wir wiederum am Chor der späteren Lahrer Stiftskirche. Es handelt sich um Zeichen einer Zeit, in der die Meister ihr Zeichen frei wählten und noch nicht durch die Bauhütte zugewiesen bekamen. Der Meister des Brunnenhauses ist vermutlich ein Angehöriger der Steinmetz-Dynastie, die schon 25 Jahre früher an der Lahrer Burg tätig war, oder er ist selbst der Meister von Lahr.

Die Hohengeroldseck: Das Innere des Ritterhauses. Die Fensternischen mit ihren zu je drei zu einer Gruppe zusammengefaßten Spitzbogenöffnungen gehörten zum Rittersaal im 2. Obergeschoß. Aufnahme: J. Mühlan
Die Hohengeroldseck: Das Innere des Ritterhauses. Die Fensternischen mit ihren zu je drei zu einer Gruppe zusammengefaßten Spitzbogenöffnungen gehörten zum Rittersaal im 2. Obergeschoß. Aufnahme: J. Mühlan

Das Brunnenhaus ist ein früher Teil der Burg; sein Wasser benötigte man schon zur Mörtelzubereitung. Der Brunnen selbst war 65 Meter tief in das harte Urgestein getrieben; eine bergmännische Leistung, bei welcher sicherlich die erfahrenen Silbergrubenarbeiter der Geroldsecker mitgewirkt haben. Der tiefe Schacht (65 m) ist im oberen Teil mit guten Quadern gefaßt und endete in einer viereckigen Brüstung. Da von der Wasserversorgung - zumal bei einer Belagerung - das Leben der Besatzung abhing und die Burg ohne Wasser nicht zu halten war, wurde der Brunnen durch ein zu verteidigendes festes Brunnenhaus mit 1,50 m starken Mauern geschützt. Drei Seiten des Brunnenhauses lagen zum Zwinger hin frei, die vierte lehnte an die Felswand. Ein kleines Treppentürmchen verband den Brunnen mit der oberen Burg und dem Vorderhaus, zu dem eine eigene Treppe führte. Die Quadereinfassungen an Türen und Maueröffnungen mit Randschlag und gespitztem Spiegel zeigen, daß das Brunnenhaus zu den frühesten Bauten der Burg zu zählen ist.

Das vordere Haus - oberhalb des Brunnenhauses - war kleiner und auch schwächer in seinen Mauern, als das Ritterhaus. Daß es später gebaut wurde, als jenes, zeigen die Bossenquader seines Untergeschosses mit ihren sehr breiten Randschlägen. Das Haus hatte zwei Eingänge. Vom Hof aus der südliche führte mit dem Treppenturm in die oberen Geschosse, der andere an der Nordwestecke des Hofes führte zum Brunnenhaus und wohl auch zur Burgkapelle, deren Erker auf der Zeichnung von Jakob von Grimmelshausen gut zu erkennen ist. Die weitgehende Zerstörung des vorderen Hauses gestattet keine sicheren Aussagen über die Gestaltung seiner oberen Geschosse. Ein Vergleich der Bossenquader des Untergeschosses mit den Quadern der Lahrer Tiefburg zeigt den sehr unterschiedlichen Charakter; die späteren auf der Geroldseck finden wir noch im 15. Jahrhundert.

Die Hohengeroldseck: Nordostecke des Palas. Aufnahme: J. Mühlan
Die Hohengeroldseck: Nordostecke des Palas. Aufnahme: J. Mühlan

Die Herren von Geroldseck

Da die Burg Hohengeroldseck die bedeutendste Burg dieses Herrengeschlechtes ist und auch den Höhepunkt der Macht, die einst von dem Geschlecht ausging, eindringlich vor Augen führt, ist es angezeigt, den Spuren, die das Herrengeschlecht in der Geschichte hinterlassen hat, nachzugehen. Ihren Namen haben die Herren von Geroldseck von der Gipfelburg auf dem nahen Rauhkasten. Die an den Südhängen dieses Bergmassivs liegenden Silbergruben haben die Geroldsecker, seit Bischof Wilhelm von Straßburg auf dem Kirchweihtag im Jahre 1035 den Gießen (oder Dießen) mit dem Ort Kuhbach an Hermannus, den Herrn in Burgheim, geschenkt hat. Und nur so konnte auch Walter I. von Geroldseck im Jahre 1272 dieses Erbe weitergeben an den Abt des Klosters Schuttern zum Seelenheil seines Sohnes Hermann, der in der Klosterkirche bestattet lag. Dieser Hermannus von Burgheim, der über der uralten Kirche seiner Ahnen und ihren Gräbern seine neue Eigenkirche errichtet hatte, ließ sich als Stifter in dem Sarkophag seiner Vorfahren an dem Platz bestatten, der dem Stifter zukommt, in der Westapsis, die zu diesem Zweck seiner Kirche angebaut worden war. Den Sarkophag hatte sich einst im 7. Jahrhundert ein Urahn aus Burgund kommen lassen, woher auch die Schmuckstücke aus den Gräbern der ältesten Familienmitglieder stammten. Der Sarkophag war - wie üblich - mehrfach benutzt und zuletzt in der Westapsis frei aufgestellt, was die Putz- und Farbspuren an dem Monolith eindeutig erkennen lassen. Diese für das 7. Jahrhundert typischen Sarkophage mit ihrer signifikanten Steinbearbeitung finden sich vorwiegend in Burgund, vereinzelt als Transportsärge im Pariser Becken, bei der hl. Odilia, auf dem Saint Mont bei Remiremont und in Mauersmünster. Die einstigen Herren von Burgheim sind die Ahnen der Herren von Geroldseck, und sie sind mit einiger Sicherheit seit der alemannischen Landnahme im 5. Jahrhundert in Burgheim ansässig, wo sie im Dienst der merowingischen Könige Herren des Königshofes wurden.

Die Spuren der Herkunft des Geschlechts haben wir aufgedeckt; über die Glanzzeit und den Untergang der Herren von Geroldseck unterrichten uns bekannte historische Fakten. Als Heinrich von Geroldseck im November des Jahres 1218 zur Burg Mahlberg geladen wurde, hatte Friedrich II. von Hohenstaufen bei der von ihm vorgesehenen Neuordnung der Ortenau nach dem Tod des letzten Zähringers für die Herren von Geroldseck besondere Aufgaben im Sinn. Um den Erben der Zähringer Paroli bieten zu können, bedurfte es strategischer Stützpunkte. Wo die Straße von Oberehnheim über den Rhein kommend nach Schwaben ziehend sich mit der von Süden kommenden Vorbergstraße kreuzte, sollte eine Feste mögliche Angriffe des Grafen Egeno von Freiburg abwehren können. Eine weitere Burg - Schwanau - hatte als Rheinzollburg königliche Rechte zu wahren. Der Bau der Wasserburg Lahr wurde nach dem Tag in Mahlberg sogleich in Angriff genommen, die Burg Schwanau wurde in der Folgezeit errichtet. In beiden Burgen finden wir die Herren von Geroldseck; sie bildeten die Basis einer größeren Machtentfaltung. Seit frühesten Zeiten standen die Geroldsecker bzw. ihre Burgheimer Ahnen in enger Beziehung zum Straßburger Bistum. Als nach dem Untergang der Staufer die Reichsgewalt darniederlag, rissen regionale Mächte an sich, was der Ausbreitung ihrer Macht diente. So auch die Herren von Geroldseck; gemeinsam mit dem Bischof Heinrich von Stahleck drangen sie das Kinzigtal aufwärts; vor allem aber zerstörten sie die zähringische Vasallenburg Lützelhard, die einem Burgenbau auf dem Schönberg im Wege stehen mußte.

In Walter I. von Geroldseck (geb. nach 1200, † 1277) war unserem Herrengeschlecht die bedeutendste politische Begabung seiner langen Geschichte beschert. Er erlebte den Bau der Lahrer Tiefburg und leitete vermutlich selbst den Bau der Hohengeroldseck. Unter seiner Leitung wurden im Jahre 1258 die großen Silberfunde bei Prinzbach geborgen, und er verstand diesen Reichtum in politische Macht umzumünzen. So wählten die Domherren des Straßburger Kapitels (mit "Handsalben" Walters I. versehen) den erst 29jährigen Walter von Geroldseck - Domprobst, doch noch ohne Priesterweihe - zu ihrem neuen Bischof, Heinrich von Geroldseck am Wasichen hatte es vergeblich zu hintertreiben versucht. Der älteste Sohn Walter I., Hermann, war zu der Zeit schon Landvogt im Elsaß; eine große Zukunft des Geschlechts schien sich anzubahnen.

Die Ursachen und Gründe, die zum Krieg und Aufstand der Straßburger Bürgerschaft gegen die angestammte Herrschaft ihres Bischofs führten, können hier nicht dargelegt werden; mit dem Aufstieg der Städte, dem Schwinden der Reichsgewalt drängten neue Herrschaftsformen zum Durchbruch. Bischof Walter suchte die überlieferten Rechtsverhältnisse zu bewahren. Ein großer Teil der Ritterschaft stand hinter ihm, andere wie der Graf Rudolf von Habsburg verrieten ihn in letzter Stunde und traten über zu den aufständigen Bürgern, denn die Habsburger fürchteten die steigende Macht der Herren von Geroldseck. Es kam zur Schlacht bei Hausbergen vor der Stadt Straßburg am 8. März 1262.

Seit dieser Schlacht sank der gute Stern des Hauses Geroldseck hinab. Dem tapferen Bischof Walter wurden im Kampf zwei Streitrosse unterm Leib erschlagen; der Landvogt Hermann, der Bruder, blieb tot auf der Wahlstatt und ebenso der Oheim Heinrich von Tiersperg; beide wurden später im Kloster Schuttern beigesetzt. Bischof Walter selbst starb am 14. Februar 1263 "am gebrochenen Herzen" in seinem Schloß Dachstein (bei Molsheim). Der Einfluß der Geroldsecker im oberen Elsaß und in den unteren Landen schwand dahin, und auch der alternde Walter I. konnte den Verheerungen, welche die Straßburger in den geroldseckischen Gebieten anrichteten, nicht entgegentreten. Nach seinem Tode im Jahre 1277 fand die erste große Teilung der geroldseckischen Besitzungen statt zwischen dem dritten Sohn Walters I., Heinrich von Veldenz, und Walter und Heinrich, den Söhnen des gefallenen Landvogts. Der Enkel Heinrichs von Veldenz, Walter III., hatte später die Burg Schwanau inne und benutzte diese Feste zur Ausplünderung der Rheinschiffahrt. Im Jahre 1333 verbanden sich die Städte am Oberrhein und der Schweiz und belagerten die Burg, enthaupteten die meisten der Insassen und zerstörten die Burg bis auf den Grund. Erbstreitigkeiten und Familienzwiste ließen das einst so stolze Geschlecht dahinsinken. Im 17. Jahrhundert (1634) erlosch das Geschlecht der Herren von Geroldseck im Mannesstamme mit Jakob, dem Sohn des Quirin Gangolf von Geroldseck.

Burg Hohengeroldseck - Aufnahme J. Mühlan
Burg Hohengeroldseck - Aufnahme J. Mühlan

Die Schicksale der Burg selbst nach der Zeit Walter I. zeigen, daß diese ideale Bergfeste in Gefahrenzeiten sich bestens bewährte. Davon ist noch zu berichten. Als Diebold II. von Geroldseck von den üblen Gewohnheiten des "Krämerlegens", also der Raubüberfälle auf fahrende Kaufleute, nicht abließ, zogen im Jahre 1473 die Straßburger in das geroldseckische Land, verwüsteten deren Schloß in Schuttern und belagerten anschließend die Burg Hohengeroldseck. Die Straßburger schossen hinein, vermochten aber nicht einzudringen und mußten ohne jeden Erfolg wieder abziehen. Aber im Jahre 1486, als der Geroldsecker versuchte, sich aus der Erbdienstschaft der Pfalz zu lösen, hatte er dem Pfalzgrafen die von diesem längst erwünschte Gelegenheit gegeben, die Geroldsecker Lande an sich zu reißen. Mit großer Übermacht rückte der Pfalzgraf Philipp an, umschloß die für unüberwindlich geltende Bergfeste und begann eine langandauernde Belagerung. Am 1. Sept. des Jahres kam der Kurfürst mit 1600 Pferden und Geschützen selbst vor die Burg. Die Beschießung begann. Dem großen Geschütz war nicht zu widerstehen, die Burg mußte übergeben werden.

Die Hohengeroldseck: Federzeichnung von H. J. Chr. von Grimmelshausen (?) 1645. - Repro: J. Mühlan
Die Hohengeroldseck: Federzeichnung von H. J. Chr. von Grimmelshausen (?) 1645. - Repro: J. Mühlan

In der Burg befanden sich nur 22 Ritter und etwa 70 Bauern als Verteidiger von über 250 Meter Ringmauern. Der Pfalzgraf aber hatte 1800 Reisige, 400 Fußkämpfer, 250 Schweizer, 1600 Knechte, dazu 359 Ritter und Edelleute aufgeboten. Insgesamt waren es mit Gefolge 8009 Mann auf seiten der Belagerer. Während in der Burg keine Pulverwaffen vorhanden waren, dienten den Angreifern 87 große und kleine Geschütze, dazu 200 Hakenbüchsen; die Beute war groß, der Ruhm gering.

Erst im Jahre 1534 nach langen Prozessen und Verhandlungen erhielt Gangolf II. von Geroldseck und sein Bruder Walter als Mannlehen die Burg und einen Teil des einstigen Besitzes vom Hause Österreich zurück. Die großen Schäden, welche die Beschießung des Jahres 1486 verursacht hatte, wurden beseitigt und die Burg durch neue Erdschanzen verteidigungsfähig gemacht. Doch im Jahre 1688, als französische Heere das badische Land brandschatzten, zogen sie auch vor die Hohengeroldseck, plünderten sie aus und steckten die Wohnbauten in Brand. Die Festung sollte für alle Zeiten als solche ausgeschaltet werden. Als Zeugnis eines mächtigen mittelalterlichen Geschlechts blieben die den Wanderer beeindruckenden stummen Ruinen.

Nach dem Tode Jakobs (1634), des letzten der Geroldsecker, kam die Herrschaft und das Schloß Hohengeroldseck durch kaiserlichen Erlaß an die Herren von Cronberg und nach ihrem Aussterben im Mannesstamm 1692 an die Herren von der Leyen. Ihnen gehört das Schloß noch heute.

Literatur:

F. X. Steinhart, Die Burgrume Hohengeroldseck in: Ortenau 21 / 1934, S. 337 - 382.
M. Wingenroth, Ruine Hohengeroldseck. Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg. Tübingen 1908, S. 106 - 121.
W. Hensle, Von der Burg Hohengeroldseck und ihrer Baugeschichte, in: Seelbach im Schuttertal, Freiburg 1979, S. 75 - 80.
M. Hesselbacher, Sicherungsmaßnahmen an der Burgruine Hobengeroldseck bei Lahr / Schwarzwald, in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Freiburg 6 / 1963, Heft 1, S. 2 - 8.
Chr. Bühler, Graf Gerold und die frühe Geschichte der Herrschaft Geroldseck; in: Geroldsecker Land 15 / 1973, S. 81 - 95.
Chr. Bühler, Zur Familiengeschichte der Geroldsecker, in: Seelbach im Schuttertal. Freiburg 1979, S. 10 - 58.
O. Kohler, Die späteren Geroldsecker I., in: Ortenau 39 / 1959, S. 165 - 191. II. Ortenau 41 / 1961, S. 158 - 180.
ders., Geroldseck unter den Herren von Cronberg und von der Leyen und das Ende der Herrschaft, in: Ortenau 43 / 1963, S. 72 - 97.
H. Frh. von Lersner, Die Herren von Geroldseck, in: Geroldsecker Land 5 / 1962, S. 11 - 20 und 6 / 1963 - 1964, S. 11 - 19.

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