Bürgermeister Carsten Gabbert - Gedenkfeier für Gerhard Finkbeiner am 24. April 2009


Herrn Finkbeiner wurde die erste Bürgermedaille der Gemeinde Schuttertal verliehen. Diese besondere Auszeichnung zeigt auch seine besondere Position, die er hier einnimmtIch habe die Aufgabe, Sie hier und heute zu einem Anlass zu begrüßen, den ich bis heute nicht wirklich wahrhaben will. Am Donnerstag, dem 9. April ist Gerhard Finkbeiner verstorben, mit dieser Gedenkfeier, wollen wir daran und an ihn erinnern. In diesen Tagen und sicherlich noch einige Zeit wird nun die Trauer seiner Familie im Vordergrund stehen. Ihre Trauer und die von denen, die ihn gut und persönlich kannten.

Gerhard Finkbeiner war aber auch ein Mensch, der in der Öffentlichkeit stand. Und es ist mir ein großes Anliegen und sicherlich auch das von vielen Menschen, dass wir heute die Gelegenheit haben, dem Bürger unserer Gemeinde und Menschen Gerhard Finkbeiner diese Ehre zu erweisen, ihm ein ganz großes Dankeschön und Lebewohl zu sagen.

Herrn Finkbeiner wurde die erste Bürgermedaille der Gemeinde Schuttertal verliehen. Diese besondere Auszeichnung zeigt auch seine besondere Position, die er hier einnimmt.

Ich möchte mich gleich an dieser Stelle bei Ihnen, Frau Finkbeiner, aber auch bei seiner Familie dafür bedanken, dass Sie diese Gedenk-Feier ermöglicht haben. Wir haben in den letzten Tagen in einigen guten Gesprächen einen Weg gefunden, zwischen Ihren Gefühlen und dem großen öffentlichen Interesse einen guten Weg des Ausgleichs zu schaffen. Dankeschön hierfür.

Und ich meine, es macht Sinn, diese Feier in diesem Rahmen abzuhalten. So haben einige Institutionen und Personen nochmals die Möglichkeit, an Herrn Finkbeiner zu erinnern und ihm zu danken. Wir drücken damit auch unseren Respekt ihm gegenüber und auch gegenüber der Familie aus. Und wir tun das in einem Rahmen, der dem Verstorbenen sicherlich entspricht. Wir tun das in einem Gebäude, das ihm etwas bedeutet hat. Er hat die Kirche immer auch als kulturellen Raum verstanden. Er hat zeitlebens für die Kirchengemeinden und die kirchlichen Gebäude viel getan und war bis zu seinem Tode Mitglied der Kirche. Und die Feier kann so vom Orgelspiel umrahmt werden - von Bach, der ihm ebenso etwas bedeutet hat.

Es wird heute uns allen Rednerinnen und Rednern nicht gelingen, alle Dinge aufzuzählen, die Gerhard Finkbeiner für die Gemeinde Schuttertal und darüber hinaus und damit auch immer und an erster Stelle für die Menschen hier auf die Beine gestellt hat. Ich werde nicht den Versuch machen, alle Aufsätze, Bücher, Veranstaltungen, Ideen, Ausstellungen, Initiativen und Projekte aufzuzählen.

Ich war in den letzten zwei Wochen einige Male mit dem Mountainbike unterwegs und es ist unglaublich, wo Gerhard Finkbeiner seine Spuren hinterlassen hatte. Ich bin sozusagen entlang der Höhenwege einmal das Tal hoch rechts rum und einmal links rum gefahren: Sägerhof, Kreuzstein, Totenruhe, die "Venus von Dörlinbach", die vermutliche Klosteranlage "Hohereute in Dörlinbach", Schutterquelle, Achatweg, Schwedenkreuz, Friedhöfle, Waldhof, Aussichtsweg, Jägertoni-Mühle, Spielweg. Allein an dieser Aufzählung kann man sein Lebenswerk erahnen und da sind die eigentlichen Ortskerne ja noch gar nicht berücksichtigt. An all diesen Orten hat Gerhard Finkbeiner Fußabdrücke hinterlassen und Dinge ins Leben gerufen, die für uns als Gemeinde einen hohen Wert haben. Es reicht aus, durch unsere Gemeinde zu gehen, und Sie werden Gerhard Finkbeiner begegnen, wenn Sie einen Blick für Geschichte haben.

Nein, ich will nicht nur aufzählen, ich habe mir die Frage gestellt, was Gerhard Finkbeiners Wunsch an mich, an meine Rede an diesem Abend wäre. Ich will sagen, was seine "Erwartung" gewesen wäre, nicht Wunsch: Er hat mir gegenüber immer alles sehr direkt und deutlich formuliert.

Und ich bin mir sicher, er hätte gewollt, dass ich unbedingt etwas zum Thema Geschichte und zur Gemeinde Schuttertal sage.

Wenn wir uns unterhalten haben, und das haben wir gerne und so oft es ging, dann haben wir zu zwei Dritteln über Geschichte gesprochen, zu einem knappen Drittel über Kommunalpolitik und wenig Persönliches. Wir hatten von unserem ersten Treffen eine gemeinsame Wellenlänge, die geprägt war von Respekt, Achtung und Sympathie. Auch wenn dabei zwischen uns immer auch eine gewisse Distanz erhalten blieb, so waren wir uns doch sehr verbunden.

Gerhard Finkbeiner war ein kritischer Geist. Er hatte nicht nur Freunde und er hat sich nicht nur Freunde gemacht. Zu mir hat er einige Male - immer mit einem schelmischen Lächeln - gesagt:

"Um manche Ziele zu erreichen, muss man manchmal auch ein wenig Wirbel machen." Das galt für Diskussionen unter Historikern, aber auch für Projekte im Dorf: Zuletzt z. B. die Bruckmühle in Schweighausen, die ihm sehr am Herzen lag. Und ich bin mir in einem sicher: Gerhard Finkbeiner hatte einen einzigen Antrieb, warum er auch manchmal die Konflikte suchte: Er hatte als jemand, der zugezogen ist und fast ein halbes Jahrhundert mit seiner Familie hier gelebt hat, eine unglaublich tiefe Bindung zu dieser Gemeinde, zur Landschaft, dem Naturraum und zur Region "Schuttertal". Er sah es als unser aller Aufgabe an, die Tradition, die Geschichte zu ehren und zu bewahren. Er war zu Recht der festen Überzeugung, dass wir als Gemeinschaft das, was unsere Herkunft ausmacht, sichern müssen. Und wenn alle Stricke reißen, dann musste man dieses sehr wichtige Ziel, eben weil es so wichtig ist, auch mal mit Ellenbogen verteidigen.

Nicht nur, aber auch mit diesem Instrument hat er sich als Denkmalschützer große Verdienste erworben. Um auch hier nur wenige Dinge stellvertretend zu nennen: Die Fotodokumentationen beispielsweise der Bauernhöfe im Rathaus Schuttertal verdeutlicht dies. Wenn man sich die Bilder genau betrachtet, wird man auch seine enge Verbindung zu diesen Gebäuden spüren können. Er hat sich um die Kornspeicher und Mühlen gekümmert. Sowohl durch Dokumentation, durch das Schreiben als auch durch das echte Handanlegen. Eines seiner Meisterstücke hierbei war auch die Jägertoni-Mühle, die er nicht alleine hergerichtet hat. Aber sein Wirken hat mit zur jetzigen sehr erfreulichen und guten Situation dort geführt.

Gerhard Finkbeiner war für unsere Gemeinde ein wichtiger Intellektueller. Er war Generalist. Ich war in den letzten Tagen eingesprungen, eine kleine Besuchergruppe aus den USA, die sich eigentlich mit Gerhard Finkbeiner hier treffen wollten, durch unsere Region zu führen. Frau Beth Bucholz Opatrny, deren Vorfahren aus der Gemeinde stammen und die Gerhard Finkbeiner kannte, sagte immer wieder über ihn, "he knew everything" ... er wusste alles.

Gerhard Finkbeiner war auch ein wichtiger Mahner und Warner. Er war ein leidenschaftlicher Kritiker. Und zwar im besten Sinne. In der Zeit, in der ich mit ihm zu tun haben durfte, war seine Kritik immer fundiert und konstruktiv.

Und eines gefiel mir an ihm besonders: Er hat mich immer kritisiert, wenn er es für angebracht hielt. Wir konnten uns aber auch ganz offen die Meinung sagen: Wir waren in einigen Punkten auch unterschiedlicher Ansicht, und das haben wir offen ausgesprochen.

Und was mir noch gefiel: Er sagte nicht nur, was er nicht gut fand (das können ja viele, oder meinen es zumindest). Nein, er war sich auch nie zu schade, die Dinge zu loben, die er gut fand.

Herr Finkbeiner war als Heimatforscher und das ist keine Selbstverständlichkeit - auch ein Vordenker. Er entwickelte Ideen und mischte sich auch kommunalpolitisch ein.

Und er war ein Stück weit das Gedächtnis unserer Gemeinde. Er hat mir oft gesagt, wie viel Freude es ihm gemacht hat, mit den alten Menschen in unserer Gemeinde zu sprechen, sich die Dinge von früher erzählen zu lassen und sie somit zu "sichern". Leider wird er viel zu wenig von seinen unglaublich vielen Erfahrungen gesichert haben können. Ein unglaubliches Wissen geht mit seinem Tod leider verloren.

Er hat an ganz vielen Punkten unterstützt. Der Gemeinde und mir war er ein wichtiger Ansprechpartner in allen Fragen der Heimatgeschichte, Dorfentwicklung und allem, was dazu gehörte. Er war selbstverständlich da, wenn zu Jubiläen Vereinsgeschichten und Chroniken zu schreiben waren. Er hat bei den Lurewiebli zu deren Gründung die Mythologie der Figur des Lurewieblis erläutert. Er war eingeplant bei den Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums der Schuttertäler Kirche, der Einweihung des Ziegelhüttenplatzes in Dörlinbach. Er hat der Gemeinde Schuttertal und ihren Einwohnern mit den drei Heimatbüchern einen Schatz hinterlassen, über den man sich nicht genug freuen kann. Und in diesen Heimatbüchern wird aus meiner Sicht eben auch deutlich, was ihn als Historiker oder Heimatforscher ausgemacht hat:

Er hat sich sehr gerne mit den Menschen beschäftigt. Natürlich arbeitete er zur Herrschaftsgeschichte, zur Kirchengeschichte, zur Architekturgeschichte, zur Technikgeschichte, zur politischen Geschichte, auch zu Fragen des Naturraums, er beschäftigte sich mit den Grenzsteinen usw. Aber im Mittelpunkt stand - nach meiner Meinung - für ihn der Mensch.

Das kommt nicht von ungefähr. Wir haben uns viel über die Menschen hier unterhalten. Er hatte die dafür notwendige Sensibilität. Er kannte sehr viele, kannte die Familien, die Geschichte, die Geschichten, die Herkunft. Und meist konnte er die Menschen in wenigen Sätzen charakterisieren mit einer großen Trefferquote. Hier spielte sicherlich auch eine Rolle, dass er durch sein Jahrzehntelanges Wirken als Lehrer viele Menschen aus unserer Gemeinde eine Zeit lang begleiten konnte.

Und damit und durch sein großes Wissen ging noch etwas einher. Er konnte - aus meiner Sicht unglaublich treffend - mit wenigen Worten unsere Ortsteile und die kleinen aber feinen Unterschiede in der Mentalität der Orte und der Menschen beschreiben. Ausgehend von der historischen Entwicklung, kulturellen Prägungen und Einflüssen, mit den Veränderungen bis heute.

Vor wenigen Wochen habe ich ihm noch ein Buch ausgeliehen und er hat es gelesen. Es heißt: "Aufbruch im Dorf". Wir haben darüber gesprochen, es handelt im Groben davon, was sich in einer Dorfgemeinschaft - durchaus wie der unseren -in den letzten Jahrzehnten alles verändert hat. Und er sah einige Entwicklungen durchaus pessimistisch. Wer seinen Artikel im Jahrbuch "Die Ortenau" 2008 gelesen hat, weiß, was ich meine: Er trägt den Titel "Die Tracht, festlicher Ausdruck bäuerlicher Kultur. Erinnerungen an das 'einstige' Bauerndorf Schuttertal."

Ich habe ihm widersprochen und wir haben gemeinsam überlegt, ob ich eine Erwiderung gegen seine These in der nächsten Ortenau schreiben soll. Eben genau in dem Sinne, wie ich es beschrieben habe, dass wir beide kontrovers Dinge weiter spinnen konnten. Ich bin der Meinung, dass wir Geschichte nicht nur als "Verlust-Geschichte" verstehen sollten: Wir sollten sehen, dass neben - sicherlich vielen - Verlusten, die man benennen kann und muss, eben auch ganz andere neue Dinge dazugewonnen werden. Daraus besteht der Lauf der Zeit.

Wir haben hier beide mit Leidenschaft ganz unterschiedliche Positionen vertreten und heiß diskutiert, aber immer fair und mit Respekt.

Der Tod von Gerhard Finkbeiner reißt eine Lücke in unsere Gemeinde, die nicht im Ansatz geschlossen werden kann. Über vier Jahrzehnte engagierte, leidenschaftliche und fundierte Arbeit für die Dorfgemeinschaft und die Gemeinde wird in diesem Stil wohl niemand wie er leisten. Die Unterstützung auf so vielen Ebenen, aber auch die vielen Gespräche und die Bewusstseinsbildung kann niemand so leisten wie er.

Wir sollten uns nun alle miteinander als Dorfgemeinschaft vornehmen, dass wir bei unserer Arbeit auf allen Ebenen ein wenig Gerhard Finkbeiner mitdenken. Von seinem Schaffen sollte übrig bleiben, dass wir uns immer bewusst sind, wo kommen wir her, was macht uns aus, was müssen wir begreifen und verstehen, um es dann auch erhalten zu können. Und wie bauen wir eine Zukunft auf einem starken Fundament der Vergangenheit.

Mir bleibt an dieser Stelle nur, Gerhard Finkbeiner für all sein Engagement zu danken. Stellvertretend für die Gemeinde, Vereine, Initiativen und die Bürgerschaft. Er hat für die Gemeinschaft Unglaubliches geleistet. Dafür ganz herzlichen Dank.

Auch für die vielen guten Gesprächen, die er in seinem Leben hier geführt hat und die sicherlich in den Gedanken vieler Menschen Spuren hinterlassen haben. Durch ihn ist die Gemeinde in den letzten Jahrzehnten an manchen Stellen geblieben, was sie bleiben soll. Und sie ist an manchen Stellen geworden, was sie werden sollte.

Ich möchte mich auch ganz persönlich für seine Unterstützung bedanken. Seine konstruktiv-kritische Begleitung hat uns und mir sehr viel gegeben. Ich habe vieles durch ihn und von ihm gelernt. Und mir wird die freundschaftliche und niveauvolle Auseinandersetzung mit ihm sehr fehlen.

Weil es so schwer ist, diese vielen und großen Gefühle am heutigen Tag zusammenzufassen, habe ich mich auf die Suche nach einem guten Zitat gemacht. Und das ist schwer, bei einem Freigeist wie Gerhard Finkbeiner zeitlebens einer war. Aber ich glaube, ich habe mit Wilhelm von Humboldt jemanden gefunden, der zu Gerhard Finkbeiner passt. Er war einer der ganz großen Gelehrten seiner Zeit. Er hat über den Tod gesagt:

Der Tod ist kein Abschnitt des Daseins, sondern nur ein Zwischenereignis,
ein Übergang aus einer Form des endlichen Wesens

zurück